Schieben Obdachlose einen faulen Lenz?

■ Bezirksverordnetenversammlung Kreuzberg diskutierte Zukunft der Bauwagenbewohner an der Mauer / CDU wollte abräumen lassen / Antrag wurde abgeschmettert

Die Bewohner der bunten Bauwagen entlang der Waldemarstraße und am Mariannenplatz können sich vorerst noch an ihrem neuen Ausblick erfreuen. Zumindest wenn es nach der Bezirksverordnetenversammlung Kreuzberg geht, brauchen sie sich um ihre Bleibe bis zum Frühling keine Sorgen zu machen. Einen Antrag der CDU-Fraktion, sich beim Senat für die Räumung der Wagenburgen einzusetzen, schmetterten AL und SPD auf einer BVV-Sitzung am Mittwoch nach hitziger Debatte ab. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Olschewski hatte den Räumungsantrag mit dem in dieser Woche begonnenen Abbau des Mauerabschnitts direkt vor den „Haustüren“ der Bauwagen begründet: „Es kann doch wohl nicht angehen, daß der Bezirk Kreuzberg nach dem Fall der Mauer eine Grenzsperre durch Wagenburgen akzeptiert.“

Der SPD sei zwar auch daran gelegen, die BauwagenbewohnerInnen andernorts unterzubringen, betonte Jörg Becker für seine Fraktion, „gerade wo denen jetzt sozusagen die Hinterwand des Wohnzimmers genommen wurde.“ Allerdings sei dieses Problem nicht administrativ - sprich durch Polizeieinsatz - zu lösen. Zumal eine neue Bleibe für die ungeliebten KreuzbergerInnen bei der derzeitigen Wohnungsmarktsituation schwer zu finden sein wird. Dafür hatte CDU-Mann Alexander Bölter jedoch einen einfachen Rat: „Jeder hat das Recht auf Wohnraum beim Senat einzufordern.“ Die „angeblich obdachlosen“ BauwagenbewohnerInnen, wußte es Olschewski jedoch besser, hätten sich irgendwo Bauwagen geklaut und würden sich auf Staatskosten einen faulen Lenz machen. Für diese Behauptung fing er sich von Michael Rädler (SPD) den Vorwurf ein, „faschistische Töne“ anzuschlagen. Auch der daraufhin auf CDU-Antrag einberufene Ältestenrat vermochte die Wogen nicht zu glätten. In einer persönlichen Erklärung blieb Reiner Klebba für die SPD dabei, daß Herabwürdigungen von bestimmten Gruppen faschistische Tradition hätten, deren Wiedererstarken in jeder Beziehung bekämpft werden müsse.

Silke Langhoff