Steffi Graf: „Jetzt rede ich“

■ Die Weltranglistenerste aus Brühl erläutert inklusiv in der taz, warum sie gegen die Tschechoslowakin Helena Sukova viel souveräner gewonnen hat, als alle glauben: 6:3, 3:6, 6:4

Melbourne (taz) - „6:3 der erste Satz, ein bißchen flotter hätte es ja ruhig gehen können. Aber gut, drei Spiele abgeben, man muß ja auch mal was für die Zuschauer tun, die zahlen ja Geld, und ich gönne ihnen die eine oder andere Minute mehr. So können sie dreimal aus Höflichkeit klatschen. Aber jetzt mach‘ ich mal voran. Wie lange diese Ballkinder immer brauchen, bis die mal mit den Bällen rüberkommen. Ist doch kein Spielplatz hier. Und diese andere Frau da drüben ist auch noch nicht fertig. Wer ist das heute eigentlich? Achja, Sukova, Helen, nein Helena. Hab‘ ich nicht die letzten vierzehn Spiele nacheinander gegen die gewonnen? Also gut, auf ein Neues.

Wie die sich anstrengt, die Gute aus der CSSR. Ist ja nicht der Ivan, aber die knallt die Bälle immer mit meiner Wucht zurück. Ich knalle, und die nimmt einfach den ganzen Schwung und schickt ihn zurück. Muß mal mit meinem Clan reden, ob das nicht schon Diebstahl ist. Ich bin doch die, die nur Tennis, Tennis, Tennis im Kopf hat, und in Armen und Beinen, und dafür auch immer so sssuperhart trainiert. Gestern hat noch einer hier geschrieben, wo sind wir, ja, Australien: 'Die Graf spielt, als hänge das Leben von jedem einzelnen Schlag ab.‘ So eine Frechheit. Sicher tut es das. Was habe ich denn sonst? Die Sache mit Alexander hat doch Papa inszeniert, damit endlich mal diese Fragerei aufhört, ob denn, wann denn, wer denn nun.

Ich laß mich aber auch ablenken heut‘. Diese Motten hier, denen gebe ich aber jetzt mal 'ne Vorhand. Patsch. Die da drüben haut meine Sssuperbälle immer genau zurück und meine fliegen immer ssso knapp ins Aus. Die haben wohl den Platz schneller gemacht hier. Bis die mal aufschlägt, das dauert. Ich will doch hier nicht bis morgen früh mein Tennis arbeiten, wer zahlt mir denn die Überstunden?

Jetzt hat die auch noch Satzball. Das hat mich schon im letzten Match geärgert, kommt doch diese Fendick daher und hat auch einen. Da hab‘ ich dann aber vorangemacht, von den letzten 22 Punkten hab‘ ich ihr noch drei überlassen, und aus 2:5 war 7:5 geworden und fertig. Warum jubeln die Leute jetzt eigentlich, eine Unverschämtheit. Gut, habe ich jetzt eben mal einen Satz verloren. Und da oben brüllen sie 'Steffi, Steffi‘. Wie primitiv, wir sind doch nicht beim Fußball. Ja, gut, mein erster Satzverlust, seit ich hier bei den Känguruhs spiele, jetzt hört diese ewige Zählerei wenigstens mal auf.

Diese Sukova da drüben wird jetzt gleich die Angst vor der eigenen Courage überkommen. Mich schlagen zu können, das ist es ja, wovor es allen so graust. Wie die da drüben schon aussieht, klitschnaß, verschwitzt, das ist ja schrecklich. Und die rennt immer noch von einer Ecke zur anderen. Gleich fällt sie wohl um. Schon 70 Minuten, da wird wohl bald die Spielerinnengewerkschaft einschreiten. Bei mir gilt doch sonst die 40-Minuten-Regel. 4:4, gut. Jetzt 5:4 für mich, nimmt das denn kein Ende? Jetzt machen wir aber Schluß. Schon wieder 40:15 für die Lange da drüben. Also gut, jetzt gilt's. Na siehste, Fehler, und noch mal vorbei. Doppelfehler, danke schön. Matchball, so jetzt kommt dein letzter Schlag. Gottchen, wo haut die denn hin? Das war's dann. Na also, aber anderthalb Stunden war wirklich unnötig. So ein Blödsinn. Muß ja auch noch den Pressetypen was erzählen.

Was ist denn jetzt, da pfuscht die Sukova sich vor. Die muß doch tot sein. 'Ich hatte eine Riesenchance zu gewinnen‘, sagt die dreist. Und die glauben es auch noch. Aber, siehste: „Steffi war im letzten Spiel geduldiger als ich.“ So geht das eben. Hetzen, hetzen, Tempo machen und dann steckt sich die andere eben an. Und über ihre vielen Breakbälle im dritten Satz kann sie sich noch 'ne Weile ärgern. So hat sie auch noch was von diesem Spiel.

So, was sage ich denen jetzt? Daß es kein Sssupermatch war von mir, werden sie wohl gemerkt haben. „Die anderen sind halt besser geworden“, das macht Eindruck. Und: „Sukova hat sich gut bewegt“, immer die Gegnerin auch ein bißchen loben, obwohl sie ohne meine Peitschenschläge ja gar nicht dazu gekommen wäre. Und die vielen, die ins Aus gingen, das tut mir leid für sie. Jetzt fragt auch noch einer, warum ich es denn nur immer so eilig habe: „Ich will keine Verwarnung wegen Zeitverzögerung kriegen“ - ich bin ja wirklich schlagfertig, nicht nur auf dem Court.

Jetzt muß ich nochmal ran, gegen die Mary Joe Fernandez, die die arme Claudia Porwik im anderen Semifinale so schrecklich mit 6:2 und 6:1 vom Platz gejagt hat. 'Ich war nervös, geistig und körperlich müde, und völlig ungeduldig‘, hat die Claudia nachher gesagt. Tja, man muß eben so schnell sein, daß man gar keine Zeit hat zum ungeduldig werden. Die Schnellen sind halt die Besten, auch wenn's mal was länger dauert. Bis Samstag muß ich jetzt noch auf das Endspiel -Stündchen warten. Eigentlich könnten wir das doch auch jetzt noch eben runterspielen, oder?“

Mitgedacht: Bernd Müllender