Medienzeitschriften durchblättert: Die Feder/Medien praktisch/Medium/Medium Magazin/Publizistik & Kunst

Die Wirklichkeit hat Science Fiction-Utopien längst überholt. Tschernobyl, Seveso, Bophal, Harrisburg - die Katastrophen, von denen SF-Romane in den letzten Jahrzehnten lebten, entlocken vielen ZeitgenossInnen nur noch ein müdes „Siehste!“. Sascha Mamczak und Thomas Tilsner spüren in der feder 12/890 dieser Entwicklung nach: „Wildwest im Weltall oder literarisches Frühwarnsystem?“ Ein geschichtlicher Rückblick auf die Anfänge des Genres zeigt, daß Science Fiction niemals nur Fantasy war. Mary Shelley, Mutter des SF, schuf Viktor Frankenstein, „den Prototyp des modernen Forschers, den sein unstillbarer Wissensdrang vorantreibt, ohne ihn die Folgen seines Handelns bedenken zu lassen.“ Auch H.G.Wells huldigte keinesfalls der allgemeinen Fortschrittseuphorie des beginnenden Industriezeitalters. Distanziert und kritisch blieb er stets seiner humanistischen Einstellung treu. Erst in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts nahm der blanke Fortschrittsoptimismus Science Fiction in Beschlag: Unerschrockene Helden mußten sich den Herausforderungen der Zukunft stellen. SF-Hefte, Magazine und Taschenbücher strotzten von militaristischen und naturwissenschaftlich -technischen Zukunftsvisionen. Erst spät, in den sechziger Jahren, wurde Politik zum Thema des SF. Ursula Le Guin beschrieb den Planet der Habenichtse, ein anarchistisches System im Sinne Kropotkins. Glitschige Monster und raketenspeiende Raumstationen haben seitdem nur noch wenig Platz im SF-Genre. Vielmehr verschwimmen die Grenzen zur klassischen Literatur zunehmend. Günter Grass, Raymond Federmann, Christoph Ransmayr, Margaret Atwood - sie alle beschreiben die Zukunft als Schattenbild der Gegenwart. „Negative Utopie“, so der Fachbegriff für die Literatur, die sich dieser düsteren Prophezey verschrieben hat. Sie trifft sich mit dem „Neu-Romancer“ William Gibson, dessen neuestes Werk mit dem schönen Satz beginnt: „Der Himmel über dem Hafen hatte die Farbe eines Fernsehers, der auf einen toten Kanal gestellt ist.“

10.479 Hörfunk- und 1.397 Fernsehsender bestrahlen die BürgerInnen im Land der unbegrenzten Freiheit. Wolfgang Hoffmann-Riem, Direktor des Hans Bredow-Instituts für Rundfunk und Fernsehen, hat sich als Medienexperte einige Male dieser Programm-Sintflut vor Ort ausgesetzt. Unter der Fragestellung „Läßt sich der Privatfunk steuern?“ faßt er seine Erfahrungen und Recherchen in medium 4/89 zusammen. Dabei geht es ihm besonders um die Beispielhaftigkeit der US-amerikanischen Rundfunkwirklichkeit für die bundesdeutsche. Trotz vieler grundlegender Unterschiede zwischen hüben und drüben befüchtet er, daß einige Tendenzen im Privatfunkbereich auch hierzulande greifen werden. Zum Beispiel das Verhältnis staatlicher Kontrollbehörden und privater Anbieter. In den USA ist die staatliche Kontrolle, so Hoffmann-Riem, gescheitert; im Nachhinein kann sie nur als taktisch -politisches Ritual gedeutet werden. Zunächst sollte vorgegaukelt werden, daß „staatliche Instanzen schon auf die Verhinderung gröbster Auswüchse des privatwirtschaftlichen Mediensystems hinwirken“ würden - bis sich offenbarte, daß der Staat schlicht keine rechtlichen Eingriffsmöglichkeiten hat. „Dementsprechend kann man in den USA viel über die Möglichkeiten (oder besser: die Unmöglichkeit) einer programmbezogenen Rundfunkaufsicht lernen.“

Eindrückliche Beispiele hierfür sind:

-Die offizielle Aufhebung der fairness doctrine, der Verpflichtung zu kontroverser Darstellung von Angelegenheiten allgemeiner Bedeutung. Da diese Auflage offensichtlich der marktwirtschaftlichen Ordnung des Mediensystems widersprach, erklärte die US -Medienaufsichtsbehörde sie 1987 für aufgehoben.

-Das Versagen einfachster Kinder- und Jugendschutzregeln. Selbstverpflichtungen nahmen die Veranstalter zurück, zu besten Sendezeiten werden Gewaltszenen gezeigt. Daß es in der „prime time“ keine Pornos gibt, liegt allein an der Prüderie der meisten AmerikanerInnen, nicht aber an moralischen Skrupeln gegenüber Kindern. Eine Werbezeitbegrenzung für Kindersendungen auf zwölfeinhalb Minuten pro Stunde scheiterte - am Veto des damaligen Präsidenten Reagan.

-Auch die allgemeine Werbezeitbegrenzung ist außer Kraft gesetzt. Folge: Teleshopping ist in den USA heute rechtlich abgesichert. Über 20 Millionen Haushalte können nun per Bildschirm kaufen, kaufen, kaufen...

Neue Zeiten erfordern neue Zeitschriften. Nach dem Zusammenschluß der Einzelgewerkschaften für journalistische und künstlerische Berufe in der IG Medien soll nun eine Zeitschrift die Interessen aller abdecken. die feder, HFF und kontrapunkt sind tot, es lebe Publizistik & Kunst. Das erste Heft zeigt das Konzept: Statt buntem Gemisch von Beiträgen soll ein Schwerpunktthema Diskussionsanstöße über die Grenzen der IG Medien hinausgehen. Daneben einige aktuelle Artikel sowie Berichte aus den Fachgruppen. Wie diese mit insgesamt 15 Seiten auskommen sollen, bleibt mir allerdings schleierhaft. Schwerpunkt des Januarheftes: Privatfunk: „Ist das der Rundfunk, den wir gewollt haben?“ Schon das „wir“ weist auf das Dilemma der Mediengewerkschaft hin, aus deren Reihen anfangs erbitterter Widerstand gegen die Privatfunkpläne der Politiker kam.

Heute sind MitarbeiterInnen der öffentlich-rechtlichen wie der privaten Sender gewerkschaftliche KampfgenossInnen. Das spiegelt sich in der wohl ausgewogenen Auswahl derer, die die Frage beantworten dürfen: RTL-Lahnstein, SR-Intendant Buchwald, SPD-Däubler-Gmelin. Wohltuend umfassend und tiefgehend hingegen die Analyse von Michael Wolf Thomas zum „Umbau des Radios“. Außerdem in Publizistik & Medien: Ein Gespräch mit „Monitor„-Bednarz über die (düstere) Zukunft politischer TV-Magazine und ein Bericht über den Bildhauer und Grafiker Alfred Hrdlicka anläßlich dessen Berliner Ausstellung im Herbst 1989.

Medium Magazin ist der Newcomer auf dem Fachzeitschriftenmarkt. Vor vier Jahren vom Jung -Journalisten Sebastian Turner begründet, hat es heute eine Qualität erreicht, die ihresgleichen sucht. Profilierte Beiträge zu Themen aus der journalistischen Szene im weitesten Sinne finden sich ebenso wie praktische Tips für Berufsstarter. Für die große Praxisnähe und flotte Schreibe des Medium Magazin gibt es zwei Gründe: Zum einen untersteht die Zeitschrift keinem Verband, zum anderen schreiben hier junge, unverbrauchte JournalistInnen, die die Situation und Probleme ihrer Leserschaft aus eigener Erfahrung bestens kennen. Heft 4/89 bringt neueste Nachrichten zum geplanten stern-tv, Porträts von Playgirl-Chefredakteurin Gabriela Prahm, dem neuen CDU -Sprecher Andreas Fritzenkötter und 'tass'-Chef Leonid Kravtschenko. Im praktischen Teil: die „FAZ-Stilfibel für eine bessere Sprache“, ein „Berufsreport Kunstmarkt -Journalismus“ sowie eine Zusammenstellung wichtiger Nachschlagewerke der Medienbranche.

Heft 4/89 der medienpädagogischen Zeitschrift für die praxis widmet sich schwerpunktmäßig der Filmarbeit. Sieben Beiträge führen in Filmproduktion, -analyse und -pädagogik ein. Am Beispiel nationalsozialistischer Propagandafilme zeigen Rolf Aurich und Heiner Behring die Wichtigkeit genauer Filmanalysen. Karsten Visarius geht anhand dreier neuer Spielfilme dem Verhältnis von Film und Geschichte nach. Wenn Indiana Jones auf seinem letzten Kreuzzug Hitler begegnet und von ihm ein Autogramm fordert - ist diese historische Unbefangenheit des Regisseurs Steven Spielberg erstaunens- oder entsetzenswert? Ist Bernhard Wickis Spinnennetz, hyperrealistischer Darstellungsversuch des gescheiterten Hitler-Putsches von 1923, der Historie angemessen? Visarius analysiert, kritisiert und wirft Fragen auf, die weiterer Diskussion bedürfen.

Erstaunlich, was derzeit zum Thema „Kinder und TV“ vertreten wird. Der Kasseler Erziehungswissenschaftler Ben Bachmair fragt: „Wie verarbeiten Kinder Fernseherlebnisse?“ Nichts mehr ist da zu spüren vom Massenmedien-Pessimismus des Neil Postman. Im Gegenteil: Die „praxisorientierte pädagogische, psychologische und soziologische Forschung“ definiert heute „Fernsehen als kommunikative und sinnvolle Tätigkeit im Fluß alltäglicher Ereignisse, Erlebnisse und Beziehungen“.

Die Not wird zur Tugend erklärt: Da die Balge sowieso nicht von der Röhre wegzukriegen sind, erforscht man die positiven Auswirkungen des Mediums auf den kindlichen Seelenhaushalt. Bud Spencer wird so zur „riesigen Vaterfigur, die kämpfend erfolgreich beschützt und zur Bewältigung auch „echter“ TV -Gewaltszenen beiträgt. Und wenn Wickies Wikingerkämpfe im Kindergarten oder daheim im Rollenspiel nachgestellt werden, ist das medienpädagogische Soll erfüllt.

die feder. Zeitschrift für Journalisten und Schriftsteller. Heft 12/89, 64 S., 4 DM. Postfach 10 24 51, 7000 Stuttgart 10 (Mit Heft 12/89 Erscheinen eingestellt

medien praktisch. Medienpädagogische Zeitschrift für die Praxis. Heft 4/89, 80 S., 10 DM. Postfach 17 03 61, 6000 Frankfurt/Main 1 (erscheint vierteljährlich)

medium. Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen, Film, Presse. Heft 4/89, 84 S., 12 DM. Postfach 17 03 61, 6000 Frankfurt/Main 1 (erscheint vierteljährlich)

MediumMagazin, Zeitschrift für Journalisten. Heft 4/89, 44 S., 6,50 DM. Heel-Verlag, Hauptstr. 354, 5330 Königslutter (erscheint vierteljährlich)

Publizistik & Kunst. Zeitschrift der IG Medien. Heft 1/1990, 64 S., 4 DM, Postfach 10 24 51, 7000 Stuttgart 10 (erscheint monatlich)