Polens Kommunisten vor der Auflösung

Danach könnten zwei neue Parteien entstehen / Der Reformer Fiszbach wird gegen den bisherigen Parteichef Rakowski antreten, dessen Kandidatur aussichtslos erscheint / Auf jeden Fall droht der Partei ein finanzielles Fiasko / Der Apparat muß drastisch abspecken  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Wenn am Freitag der Parteitag der PVAP beginnt, steht die Partei vor dem Offenbarungseid. Ganz offiziell, von Parteichef Rakowski verkündet, wird dieser Parteitag der letzte der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei sein, denn die Tagesordnung sieht nur einen Punkt vor: Auflösung der Partei. Anschließend soll dann der Gründungsparteitag der neuen Partei beginnen. Manche befürchten allerdings, daß dies nur zu einer Neuauflage der PVAP unter anderem Namen führen wird.

Um dies zu verhindern, haben die radikalen Reformer in der PVAP bereits einen circa 200 Mitglieder starken „sozialdemokratischen Block“ gebildet. Angesichts einer Gesamtzahl von 1.700 Delegierten sind ihre Chancen, sich durchzusetzen, allerdings eher gering.

Der Kopf der Reformgruppe, die unter dem Namen „8. Juli“ (ihrem Gründungsdatum) bekannt wurde, Kazimierz Kik, wurde gar nicht zum Delegierten gewählt. Die Sozialdemokraten wissen nur etwa 170 Delegierte sicher hinter sich. Über ein Drittel der Delegierten sind jedoch Angestellte des Parteiapparats und Betriebsdirektoren. Rechnet man zu diesen noch etwa 100 Delegierte aus dem Umfeld der kommunistischen Gewerkschaften OPZZ dazu, so ist eine Mehrheit für „Achter Juli“ eher unwahrscheinlich. Dann jedoch entsteht die Gefahr einer Spaltung. Während der einzige, der offiziell seine Kandidatur bereits bekanntgegeben hat, der bisherige Parteichef Mieczyslaw Rakowski ist, hat Kik beim letzten Treffen der Reformer in Warschau öffentlich den Danziger Abgeordneten Tadeusz Fiszbach als Kandidaten für die Rakowski-Nachfolge vorgeschlagen.

Fiszbach ist zur Zeit der einzige Kandidat, der das Image der Partei auch in den Augen von Nichtkommunisten noch retten könnte. Der Danziger hat 1980 als Erster Wojewodschaftssekretär der Partei das Danziger Abkommen mit den streikenden Arbeitern der Leninwerft unterschrieben und sich dazu auch nach Verhängung des Kriegsrechts 1981 bekannt. Zur Strafe für sein Eintreten für eine Verständigung schickte ihn die Parteiführung sieben Jahre lang als Botschaftsangestellten nach Helsinki. Erst zu den Parlamentswahlen im letzten Jahr tauchte er aus der politischen Versenkung wieder auf. Mit Unterstützung von Solidarnosc wurde Fiszbach, der mit Lech Walesa befreundet ist, für die PVAP ins Parlament gewählt.

Tatsache ist, daß eine Öffnung der Partei zu ehemals oppositionellen Kräften der Linken mit Rakowski ausgeschlossen ist. Unter anderem deshalb geben sich die Sozialdemokraten in der PVAP auch kompromißlos. Sollte die neugegründete Partei sich nicht völlig vom Erbe der PVAP und deren Methoden lossagen, werde man eine eigene Partei gründen.

Da sich die derzeitige Parteiführung jedoch hinter einem immensen Schwall demokratischer und radikalreformerischer Rhetorik versteckt und selbst die OPZZ ihren Reformwillen bei jeder Gelegenheit beschwören, haben sich die Sozialdemokraten ein eindeutiges Kriterium ausgesucht. Zbigniew Siemiatkowski, einer der Wortführer von „8. Juli“: „Wir sind dafür, die sogenannten alten, erprobten Genossen durch eine neue Generation zu ersetzen. Tadeusz Fiszbach ist für uns der Repräsentant einer authentischen Reformbewegung in der PVAP.“ Niemand in der Führung der neuen Partei, so Kiks Forderung, dürfe noch an die alte Partei erinnern. Keine leicht zu erfüllende Forderung: Eine ganze Handvoll von bisherigen Mitgliedern der Parteiführung ist zur Zeit bemüht, sich nach beiden Seiten abzusichern. Slawomir Wiatr, Mitglied des ZK-Sekretariats und der Sozialdemokraten, führt einen regelrechten Seiltanz auf, um sowohl für die Parteiführung der PVAP, als auch für die Führung einer künftigen Sozialdemokratischen Partei akzeptabel zu sein. Der jetzigen Parteiführung kommt das unter Umständen gelegen. Bemüht, um jeden Preis eine Spaltung zu vermeiden, könnten Leute wie Wiatr als Kompromißkandidaten herhalten.

Zu den Auseinandersetzungen um die künftige Linie der Partei kommt noch die „katastrophale finanzielle Lage“ hinzu. Bis 1979 finanzierte sich die Partei selbst mit Hilfe zahlreicher Unternehmen. Das größte davon war die „Arbeiterverlagsgenossenschaft“ RSW, Polens größter Zeitungs - und Buchverlag. Die bekam staatlicherseits ab 1988 besondere Steuernachlässe und verbilligte Kredite. Einen 17 -Milliarden-Zloty- Kredit zu drei Prozent Zinsen - bei 60 Prozent Inflation - sicherte sich die Partei dann noch kurz vor ihrem Abgang aus der Regierung. Dann strich die Regierung Mazowiecki der PVAP alle Privilegien. Nun nimmt der Gewinn von RSW real wegen der steigenden Papierpreise ab, die Subventionen fallen weg und zugleich muß die Partei den 17-Milliarden- Kredit zurückzahlen. Ex-Industrieminister Wilczek, der nun im ZK die Finanzen konsolidieren soll, hat deshalb beschlossen, das Vermögen der Partei zu kapitalisieren und im Apparat soll nun drastisch Personal abgebaut werden. Statt ungefähr 1.000 soll es künftig nur noch 100 Angestellte in der Zentrale in Warschau geben, in jeder Wojewodschaft nicht mehr als 30.