Wie schnell verschwindet die DDR-Mark?

■ Regierung Modrow gibt dem Druck aus der Bundesrepublik nach: Bis 1992 volle Konvertibilität

Jeder, dem etwas zur Sanierung der DDR-Wirtschaft einfällt, darf sich in diesen Tagen sicher sein, daß sich die Zeitungsspalten für ihn öffnen. Doch eine Währungsreform nach dem bundesdeutschen Vorbild von 1948 läßt sich nicht ohne weiteres auf die DDR anwenden. So wetteifern PolitikerInnen in Ost und West mit Vorschlägen, die von der möglichst schnellen Konvertierbarkeit der Ost-Mark bis zur möglichst schnellen Währungsunion und dem Verschwinden der östlichen Nachbarwährungen reichen. Derweil laufen die deutsch-deutschen Verhandlungen weiter - und die DDR -Regierung gibt weiter nach.

Einführung der Konvertibilität der Ost-Mark oder Schaffung einer deutsch-deutschen Währungsunion: auf diese Alternative spitzen sich die gegenwärtig in Ost und West heiß gehandelten und fast nicht mehr überschaubaren währungspolitischen Vorschläge zur Sanierung der DDR -Wirtschaft zu. Es steht außer Frage: Die bislang zum sozialistischen Kredo gehörende internationale Abschottung der Währung der DDR muß beendet werden. Auch erfordert die politisch angestrebte Integration der DDR in die weltweite Arbeitsteilung die Aufhebung des strikten Devisenverkehrsverbots. Die Frage bleibt, welcher währungspolitische Weg eingeschlagen werden soll.

Kein Politiker oder vermeintlicher Experte, der derzeit die Chance verpassen will, sich mit einem eigenen Vorschlag zu Wort zu melden. Nicht selten werden dabei phantastische Visionen über die ökonomischen Segnungen einer „harten Währung“ an die Wand gemalt. So erwartet etwa der Saarbrücker Ökonom Johannes Welcker von einer sofortigen Einführung der Konvertierbarkeit der Ost-Mark „binnen einer Woche“ volle Schaufenster und Regale in der DDR; weil dann das bislang staatlich reglementierte Lohn- und Preisgefüge in Bewegung käme und die DDR-Betriebe unausweichlich mit der Weltmarktkonkurrenz konfrontiert wären, würden rasche Restrukturierungs- und Modernisierungsmaßnahmen eingeleitet werden, die die wirtschaftliche Lage verbessern und einen Stopp der Ausreisewelle bewirken würden. Sollten dann noch die volkseigenen Betriebe und die Kombinate privatisiert werden, dann werde sich nach Ansicht dieses Experten der Mark/D-Mark-Kurs schon in mittlerer Frist auf 1:1 einpendeln.

Dieser Vorschlag ist nicht untypisch für die in der Bundesrepublik geführte Debatte, die stark von den geschönten Erinnerungen der bundesdeutschen Währungsreform des Jahres 1948 und der Durchführung der D-Mark -Konvertibilität bis 1958 geprägt ist. Nicht selten scheint dabei in Vergessenheit geraten zu sein, daß beide erfolgreichen geld- und währungspolitischen Strukturreformen in gutem Maße den besonderen historischen Bedingungen geschuldet waren und sich die Erfahrungen der späten vierziger und der fünfziger Jahre nicht umstandslos auf die neunziger Jahre übertragen lassen.

Eine derartige Einsicht dürfte auch das Motiv der finanzpolitischen Sprecherin der SPD (West) Ingrid Matthäus -Maier gewesen sein, ähnlich wie zuvor des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, der DDR-Regierung erst gar nicht den Vorschlag zur Einführung der Konvertibilität der Ost-Mark zu unterbreiten. Ihre auch von ihrem sozialdemokratischen Kollegen (Ost) Wolfgang Berghofer unterstützte Empfehlung setzt aufs Ganze, nämlich die Mark der DDR im Rahmen einer deutsch-deutschen Währungsunion umgehend durch die D-Mark zu ersetzen. Damit soll erreicht werden, daß Bürger, Unternehmen und der Staat sofort über eine harte, völlig konvertierbare und international hochbegehrte Währung verfügen können.

Die Logik dieses Vorschlags ist allerdings weniger von ökonomischem Sachverstand als von politischem Willen geleitet. Absicht ihres Vorhabens ist es zugestandenermaßen, möglichst schnell das Konsumtionsniveau in der DDR anzuheben und so ein Signal für die dortige Bevölkerung zu geben, das die große Zahl von Ausreisewilligen zum Verbleib in der DDR veranlassen könnte. Entscheidender und dringlicher wären vielmehr umfangreiche Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, die das entscheidende Fundament für jeden wirtschaftlichen Aufschwungprozeß darstellen.

Geldpolitische Autonomie

Aber auch in politischer Hinsicht ist der Vorschlag nicht ohne Haken und Ösen. So hat etwa Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl darauf hingewiesen, daß es im Falle einer Einführung der D-Mark als Währung der DDR keine DDR -Geldpolitik mehr gäbe und dann das Geld der DDR alleine in Frankfurt verwaltet werden würde. In einem in der jüngsten Ausgabe der 'Zeit‘ veröffentlichten Gespräch machte Pöhl deutlich, daß er mit so viel Nachgiebigkeit der Modrow -Regierung selbst nicht rechnet: „Glauben Sie etwa, daß die DDR-Regierung das akzeptiert?“

Abschlägig beschieden wurde von Pöhl indirekt auch der von dem ökonomischen Laien und Generalsekretär der CDU Volker Rühe gestern wieder einmal unterbreitete Vorschlag, wonach eine noch zu schaffende unabhängige Notenbank der DDR und die Deutsche Bundesbank in Frankfurt einen festen Wechselkurs für die DDR-Mark vereinbaren sollten: „Wir können nicht den Wert der Ost-Mark garantieren in einer Zeit, zu der es viele verschiedene Wechselkurse gibt. Das wäre eine Einladung an die DDR, Geld zu drucken, oder es würde bedeuten, daß die DDR ihre geldpolitische Autonomie aufgibt.“ Genau diese Einengung des Handlungsspielraums jeder zukünftigen DDR-Regierung scheint von den CDU -Strategen angezielt zu sein. So gab die stellvertretende CDU-Vorsitzende Christa Thoben gestern auch ungeschminkt bekannt, daß sich die DDR im Falle der Einführung eines festen Wechselkurses auch dem Stabilitätskurs der Deutschen Bundesbank unterwerfen müßte. Was mithin die Weichwährungsländer im Rahmen der geplanten europäischen Währungsunion durch allerlei politische Finten bislang noch zu verhindern suchen, soll der machtlosen und sich in einer tiefen ökonomischen Krise befindlichen DDR konzessionslos zugemutet werden.

Ein deutlich langsameres, wenn auch zielgerichteteres Marschtempo will der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Tyll Necker, einschlagen. Er schlug der Unionsfraktion vor, bis zum 31. Dezember 1992 und damit parallel zum westeuropäischen Binnenmarktprozeß zu einer vollen Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR zu kommen. Geschehen soll dies in fünf zeitlichen Stufen. Bis zu den Wahlen am 6. Mai sollen erst einmal per Gesetz das Privateigentum an Produktionsmitteln und die Investitionsfreiheit garantiert sowie das staatliche Außenhandelsmonopol aufgehoben werden. Bis zum 30. September 1990 soll dann in einer zweiten Stufe die DDR-Währung durch eine Politik der finanzpolitischen Austerity und die Privatisierung des Staatsvermögens verknappt werden. In Stufe drei, die bis zum 1. Januar 1992 abgeschlossen werden soll, sollen die Preissubventionen abgeschafft werden. In einer zeitversetzt laufenden Phase vier soll durch flexible Wechselkurse im Außenverhältnis und volle Konvertibilität im Innenverhältnis der Austausch zunächst zwischen Ost-Mark und D-Mark einem Praxistest unterworfen werden. Bis zum 31. Dezember 1992 soll dann schließlich in einer fünften Stufe die Mark der DDR gegen alle westlichen Währungen konvertibel sein.

Wie ein Echo auf diesen BDI-Vorschlag liest sich ein gestern bekanntgewordener währungspolitischer Reformvorschlag der Regierung Modrow, der vorsieht, bis 1992 die volle Konvertierbarkeit der DDR-Mark gegenüber der D -Mark (nicht gegenüber anderen westlichen Währungen) einzuführen und dies mit einem grundlegenden Umbau der DDR -Wirtschaft zu verbinden. Eine - bislang nicht näher erläuterte - Teilkonvertierbarkeit wird einem Bericht der 'FAZ‘ zufolge bereits bis 1990 angestrebt. Zu vermuten ist aber, daß bei dieser Stufe die Möglichkeit des internationalen Umtausches der Ost-Mark auf bestimmte Transaktionen und auf einen eingegrenzten Kreis juristischer und natürlicher Personen beschränkt wird. Wie der Necker -Plan sollen diese Ziele in abgestuften Schritten verwirklicht werden. So sollen bereits in diesem Jahr Schritte zur Preisfreigabe und zum Abbau der Preisubventionen eingeleitet werden.

Mit Ausnahme bestimmter „strategischer und sozialpolitischer Bereiche“ sollen bis 1992 sämtliche Preise freigegeben werden. Ebenfalls noch im laufenden Jahr soll das staatliche Außenhandelsmonopol aufgegeben werden, so daß die Betriebe autonom ihre Geschäftsbeziehungen mit dem Ausland gestalten können. Allein das Valutamonopol soll noch weiterbestehen - vermutlich um die Verschuldung in Fremdwährungen unter einer gewissen staatlichen Kontrolle zu halten. Beabsichtigt ist eine drastische Reduzierung der Steuerprogression, um die individuellen Leistungsanreize zu fördern.

Flucht nach vorn

Der Rückzug des Staates aus der Ökonomie soll sich schließlich in einer ausgeprägten Reduzierung staatlicher Steuerung und Planung nach dem Muster westeuropäischer kapitalistischer Demokratien ausdrücken. Zentrale Regulierungen sollen sich künftig allein auf die Finanz- und Haushaltsverwaltung sowie auf die Bereiche Struktur-, Umweltschutz- und Sozialpolitik beschränken.

Die offensichtliche Flucht nach vorne dürfte zwar die bundesdeutsche Wirtschaft zufriedenstellen, läßt aber auch noch eine ganze Reihe von Fragen offen. Rückfragen der taz bei der Staatsbank der DDR, wie der Konvertibilitätsplan der Modrow-Regierung im Detail umgesetzt werden solle, blieben ohne Ergebnis. „Einen Spezialisten für Konvertibilitätsfragen haben wir bislang gar nicht“, ließ der stellvertretende Generaldirektor verlauten. Vermutlich wird man bald aus Bonn oder Köln weitere Details über den gesellschaftlichen Umbau der DDR erfahren.

Kurt Zausel