Methadon: sehr vorsichtige Empfehlungen

■ Erweiterte Methadon-Vergabe kommt im Papier der Senatorin kaum noch vor / Kassenärzte sollen unbedingt mitziehen

Es kann womöglich noch mal dahin kommen, daß das Ersatzopiat Methadon auch für solche Drogenabhängige angebracht sein könnte, die noch nicht aidskrank, todkrank oder gerade in einer Klinik stationär untergebracht sind. In gerade mal vier Zeilen ihrer „Empfehlungen zum Einsatz von Methadon“ packte die Gesundheitssenatorin gestern ihren Deputierten zu Kenntnisnahme, was in monatelangem erbitterten Tauziehen zuvor zwischen Senat, SPD-Fraktion und dem SPD-Ausschuß Drogen auf den ohnehin kleinsten gemeinsamen Nenner herunterbuchstabiert worden war und schrieb: „Eine Methadon-Substitution bei Drogensüchtigen kann jedoch im Einzelfall (...) über die unbestrittenen Indikationen hinaus indiziert sein.“

Eine überraschende Zurück

haltung der senatorischen Empfehlungen an die Ärzteschaft, obgleich es doch Vera Rüdiger selbst gewesen war, die das Scherfsche Methadon-Verbot aufgeweicht und die Öffnung zur liberaleren Methadon-Vergabe in ihrem Bereich erst schrittweise aufgestoßen hatte.

Noch zwei Wochen zuvor hatten sogar diese kläglichen vier Zeilen gefehlt, war für eine Methadonvergabe nur von finalen (tödlichen) Krankheitszuständen, stationär Untergebrachten, Schwangeren die Rede gewesen - Punkte, die sowieso unstrittig sind. Als die VertreterInnen der Gesundheitsbehörde damit am letzten Mittwoch zu einem Abstimmungsgespräch mit Ärztekammer (Standesorganisation), Kassenärztlicher Vereinigung (der Niedergelassenen) und eini

gen Drogenexperten zusammenkam, konnten sie dieses erste Papier auch gleich wieder einpacken. „Da legte Frau Rüdiger eine Art Scherf-Papier vor“, faßte Dr. Sasse-Schulte, Delegierter der Ärztekammer (Liste Gesundheit) und Pharmakologe, gegenüber der taz zusammen, „wir wollten doch über die medizinisch völlig unstrittigen Indikationen hinaus eine Tür öffnen für alle Langzeit-Drogenabhängigen mit gescheiterten Therapien. Das war da nicht mehr wiederzufinden.“ Die Gesundheitsbehörde mußte nachbessern und ihre Vorlage zumindest auf den Erkenntnisstand der Ärztekammer und den einst heftig umkämpften Bürgerschaftsbeschluß („Methadon insbesondere bei schweren psychischen und physischen Krankheiten und Beeinträchtigungen“) bringen. Mit

gemeint waren damals auch die drogenkranke Prostituierte, die nicht aussteigen kann, und der Altfixer und deshalb Zwangskriminelle, der keine Therapie hingekriegt hat.

Die zitierten vier Empfehlungs-Zeilen nun reichen in all ihrer Allgemeinheit dem Ärztekammer-Vertreter Dr. Schulte -Sasse aus: „Das ist taktisch allgemein gehalten, aber das wird von der Praxis ohnehin sehr schnell überholt werden.“

Hintergrund seiner Hoffnung: Um die Methadon-Vergabe wie alle anderen ärztlichen Leistungen auch im ärztlichen Bereich zu belassen, will die Gesundheitsbehörde ausdrücklich Ärztekammer und vor allem Niedergelassene (KV) einbinden. Schulte-Sasse zur senatorischen Leisetreterei: „Die KV hat Angst, daß die Methadon-Vergabe zum kassenärztlichen Pflichtprogramm gemacht wird und will keine Verantwortung übernehmen. Daran kann alles scheitern.“ Sonst immer sehr darauf bedacht, ärztliche Leistungen mitsamt ihrem Honorar nur Ärztehänden anzuvertrauen, legen die KV -Oberen diesmal keinen Wert auf Junkies in feinen Praxen und Wartezimmern. Schulte-Sasse zur taz: „Diese Haltung der KV -Spitze ist mit ärztlichem Ethos nicht zu vereinbaren.“ Für alle Vergabefälle, die nicht streng medizinisch be

gründet sind, soll es eine Kommission geben, in der die Gesundheitsbehörde nur eine von fünf Stimmen hat, neben zwei ÄrztInnen und zwei Drogenhilfs-MitarbeiterInnen. Die Kommission berät, aber die ärztliche Entscheidung bleibt frei. Schulte-Sasse: „Wenn die in der Kommission Blockade -Politik machen, muß das neu diskutiert werden. Sonst aber ist das vernünftig, um die erweiterte Vergabe praktisch durchzuführen.“

Reinhold Stiering und Elke Steinhöfel, beide im SPD-Drogen -Ausschuß, wollten mehr Konkretes und vor allem eine ausdrückliche Ermutigung an Ärzte für kontrollierte Methadon -Vergabe. Denn: Wenn jeder Arzt nur drei Methadon -PatientInnen betreuen soll und es bislang in Bremen erst acht vergabewillige Ärzte gibt, wäre bei 24 PatientInnen Schluß - und die gibt es jetzt schon. Daß auch die Langzeitabhängigen, die chronisch Unterernährten, die von sozialen Begleitumständen im Gesundheitszustand Beeinträchtigten für Methadon in Frage kommen, konnte die Abgeordnete und Deputierte Steinhöfel nicht mehr im Empfehlungs-Papier, sondern nur noch im Protokoll unterbringen.

Vor der Pressekonferenz am Montag hüllten sich gestern Senatorin und Ärzte-Organisationen in Schweigen. Susanne Paa