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M-19 sucht Koalitionspartner

Chefs der kolumbianischen Guerillagruppe werden salonfähig / Wahlchancen schlecht  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

Ein letztes Mal nahm Carlos Pizarro, Chef der linksnationalistischen Guerillabewegung M-19, am vergangenen Donnerstag die Morgenparade seiner rund 500 Kämpfer ab. Dann flog er in Begleitung der Nummer 2 der Organisation, dem in Oxford ausgebildeten Antonio Navarro Wolf, in die Hauptstadt Bogota, um dort die Endphase eines im Dezember 1988 mit der Regierung begonnenen Friedensprozesses einzuleiten. Noch am selben Tag wurden beide Kommandanten der 1973 gegründeten M -19 von der Regierung des liberalen Präsidenten Virgilio Barco begnadigt. Das soll nach einem Gipfeltreffen aller politischen Parteien am 31.Januar auch mit den im Süden Kolumbiens ausharrenden M-19-Kämpfern geschehen. Danach sollen die Guerilleros feierlich ihre Waffen an die Sozialistische Internationale übergeben und als politische Partei an den Parlamentwahlen im März dieses Jahres teilnehmen.

Das Besuchsprogramm der Kommandanten in der Hauptstadt liest sich wie das eines Staatschefs. Donnerstag nachmittag wurden sie von Innenminister Carlos Lemos Simmonds empfangen. Bis Sonntag sind unter extremen Sicherheitsvorkehrungen Gespräche mit sämtlichen Parteichefs und der Führung der Armee geplant. Die verbleibende Zeit soll zur Teilnahme an Gottesdiensten, Frühstücken und Wahlkampfveranstaltungen in den ärmeren Stadtvierteln genutzt werden. Doch Carlos Pizarro dürfte es nicht nur um die von der M-19 schon immer geschickt gehandhabte Publicity gehen. Nachdem entscheidende Punkte des Friedensabkommens mit der Regierung - etwa eine Wahlbezirksreform, die reuigen Guerilleros zugute gekommen wäre - durch den Kongreß blockiert wurden, sollen nun mit den politischen Parteien Alternativen gesucht werden. Die Chancen der M-19 bei den Wahlen im März stehen schlecht. Während die Guerilleros noch mit der Regierung über die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen verhandeln, haben die althergebrachten Parteien schon mit dem landesüblichen Stimmenkauf begonnen. Mehr oder minder notgedrungen suchen die M-19-Führer nun in ihren Gesprächen mit den traditionellen Parteien regionale Wahlkoalitionen.

Eine Verringerung der Gewalt in Kolumbien ist durch die Abkommen mit der M-19 jedoch kaum zu erwarten. Ihre rund 500 Kämpfer fallen gegen die etwa 8.000 Guerilleros der marxistischen Guerillabewegungen kaum ins Gewicht. Deren Anführer haben sich wiederholt abfällig über die Politik der M-19 geäußert. „Im Parlament Reden zu schwingen“ kann ihrer Ansicht nach die strukturellen Problem Kolumbiens nicht lösen.

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