Wen würde Kohl in der DDR wählen?

■ Das Dilemma der CDU (West) vergrößert sich von Tag zu Tag / DSU hat sich längst mit der Münchner CSU arrangiert, Demokratischer Aufbruch bangt um seine Unabhängigkeit / Unzufriedenheit mit Rühe wächst / Geißler als Sonderbeauftragter für DDR-Kontakte?

Berlin (taz) - „Wen würde Helmut Kohl wählen, wenn er DDR -Bürger wäre?“, fragte dieser Tage die 'Neue Osnabrücker Zeitung‘ spitz und brachte damit das Dilemma der CDU auf den Punkt. Da Kohl nicht - noch nicht - das Kreuzchen für sich selber malen kann, weiß er es auch nicht. Wir können es uns nicht leisten, jetzt aufs falsche Pferd zu setzen, ist Kohls Kredo, an dem auch die heftige Debatte im Bundesvorstand der CDU in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch nichts geändert hat.

Andere Mitglieder des Bundesvorstandes können sich mit dieser Haltung jedoch nicht länger anfreunden. Sie fürchten, Kohl stehe auch am 6.Mai noch mit dem Sattel in der Hand da, während die Konkurrenten aus dem Ollenhauer-Haus längst durch die Zielgerade gegangen sein werden.

Der Kohlsche Kompromiß, mit dem sein Adlatus Rühe am Mittwoch an die Öffentlichkeit ging, entwickelt sich jedenfalls zusehends als neuerlicher Mißgriff. Um die Partnersuche in der anderen Republik zu erleichtern, drängt Kohl auf einen Zusammenschluß aller bürgerlich-konservativen Gruppierungen in der DDR, für die er, Kohl, dann gemeinsam Wahlkampf machen würde. Die bisherigen Rückmeldungen der solcherart zur Fusion gedrängten DDR-Parteien sind für Kohl verheerend.

Erstmals machte der Sprecher des Demokratischen Aufbruchs (DA), Rainer Eppelmann, offen Front gegen seinen Vorsitzenden Wolfgang Schnur, der auf bedingungslose Anbiederung auf Kohl setzt. Eppelmann, so verriet er der 'Welt‘, möchte den Demokratischen Aufbruch nicht „in eine Ecke gepackt sehen, die ich selbst nicht will“. Kohl dränge auf eine Bündnisstrategie, die aus wahltaktischen Überlegungen allein „auf die bundesdeutsche Parteienlandschaft zugeschnitten“ sei. Damit so Eppelmann, würde der DA seine Identität verlieren. Bleibt Schnur bei seiner Politik, steht er gegenüber Kohl bald mit leeren Händen da.

Viel besser ergeht es der CDU auch mit dem zweiten potentiellen Büdnispartner nicht, der jüngst neu gegründeten Deuschen Sozialen Union (DSU). Denn die hat sich längst von der C-Konkurrenz aus München kooptieren lassen. Während am Dienstag abend im CDU-Bundesvorstand die Fetzen flogen, saß DSU-Chef Eberlein mit Theo Waigel in Hof auf dem Podium und ließ sich auf einer deutsch-deutschen Großveranstaltung feiern. Da die CSU für die Eberlein-Truppe längst in den Geldkoffer greift, sehen die gar keine Veranlassung, sich auf ein Bündnis mit DA und CDU-Ost einzulassen.

Mit letzteren hat es sich die CDU-West dank des überragenden taktischen Geschicks ihres Generalsekretärs Rühe fast völlig verdorben. Sein Versuch, de Maiziere über dessen Generalsekretär Kirchner auszubooten, ging voll nach hinten los. Rühe, so der weitverbreitete Eindruck in der CDU -West, ist offenbar unfähig, eine brauchbare Strategie für die DDR-Kontakte zu entwickeln. Die Misere läßt Sehnsüchte nach Rühe-Vorgänger Geißler wieder laut werden. Vor zwei Tagen forderten mehrere CDU-Landtagsabgeordnete bereits öffentlich, Geißler als Sonderbeauftragten für DDR-Kontakte zu ernennen.

Dermaßen in die Enge gedrängt, fällt Rühe nichts anderes mehr ein, als seine Wut am ungleich erfolgreicheren politischen Gegner auszulassen. Die SPD-Ost, so Rühe, mit ihrem „Ex-SED-Mitglied Ibrahim Böhme“ an der Spitze, drohe von ehemaligen SED-Mitgliedern unterwandert zu werden. Die Oppositionsparteien in der DDR, so schob CSU-Boß Waigel nach, sollten schleunigst ihren „Waffenstillstand beenden“ und die SPD in der DDR „scharf angreifen“.

Ob Rühe es noch etwas nützen wird, jetzt die Oppositionsparteien „aufeinander zu hetzen“ (Ibrahim Böhme) wagen auch viele CDU-Politiker zu bezweifeln. Zur Not müsse man eben die Unterstützung nach dem Gießkannenprinzip verteilen, stellte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hornhus bereits vor einer Woche resigniert fest.

Jürgen Gottschlich