Bezirksregierung Weser-Ems kippt Schülerzeitung über AIDS

■ Behörde sieht den Bildungsauftrag in Gefahr / Stein des Anstoßes: Ein eingelegtes Kondom / Aids-Berater unter Schweigepflicht

Die Bezirksregierung Weser-Ems hat die Verteilung der Schülerzeitung „KSR Info-Ammerland“ verboten. Grund für den Zensurakt ist ein vierseitiger Bericht zum Thema Aids. Mit der Unterstützung des Ammerländer Aids-Beraters Peter Tiegel hatten sich die Redakteure unter anderen auch des Themas Prävention angenommen. „Kondome sind ein relativ sicherer Schutz vor einer HIV-Infektion“, heißt es da unter anderem, und weil die SchülerInnen das Tuscheln hinter vorgehaltener Hand leid hatten, veröffentlichten sie eine Gebrauchsanweisung für Kondome in Wort und Bild. Der in 8.000er Auflage gedruckten Schülerzeitung klebt zusätzlich ein Kondom bei.

Das war der Bezirksregierung zu heiß. „Im Hinblick darauf, daß die Zeitung in der Sekundarstufe I ab dem 7. Schuljahrgang verteilt werden soll, muß ich auch davon ausgehen, daß die Gebrauchsanweisung den Bildungsauftrag der Schule ernstlich gefährden wird“ teilte die Regierung den JungredakteurInnen mit. Doch damit nicht genug: „Die Abgabe von Waren, die nicht Getränke oder Eßwaren sind, in Schulen ist grundsätzlich nicht zulässig“, begründete die Behörde ihren Eingriff weiter.

Dabei war die Aufklärungskampagne der Schülerzeitung euphorisch begrüßt worden. „Wie könnte man besser unterstreichen, daß es sich um ein sehr ernst zu nehmendes Thema handelt, als durch das Beifügen eines Kondoms. Ich wünsche Ihrer Aktion vollen Erfolg“ schrieb zum Beispiel der Leiter des AIDS-Zentrums beim Bundesgesundheitsamt, Professor Koch, und auch die SchülerInnen verteidigten vehement die Dringlichkeit der Veröffentlichung. Aids sei immer noch nicht Thema der Aufklärung innerhalb der Schule oder des Elternhauses. „Denn auch für die Erwachsenen ist dies ein neues Thema, bei dem sie selbst noch unsicher sind und nicht genau wissen, wie sie damit umgehen sollen. Dies tarnen sie gerne und reden davon, man dürfe Jugendlichen das nicht auch noch zumuten“ vermuten die Kids.

Das jetztige Verbot der Zeitung stößt bei den betroffenen RedakteuInnen auf Unverständnis. Kay Westera, Mitautor des indizierten Artikels: „Vor einem halben Jahr hatten wir auf unserem Schulhof einen Aids-Bus der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Da wurden kurze Filme über den richtigen Gebrauch von Kondomen gezeigt, und die Zwölfjährigen konnten Kondome in Schwarz-Rot-Gold gewinnen.“ Das Diktat der Behörde läßt die Redakteure kalt. Trotz des Verbots wollen sie ab heute die Zeitung außerhalb der Schulen verteilen. Nur: Weil das Blatt jetzt auf dem Index der Bezirksregierung steht, fürchten die SchülerInnen um den Druckkostenzuschuß des Sozialministerums. 1.200 Mark waren ihnen für die Aids-Extra-Nummer versprochen worden. Insgesamt kostet die 32 Seiten starke Schülerzeitung im Druck 4.400 Mark, dazu kommen die Kosten für die Präservative, 1.200 Mark.

Schülerzeitungen müssen, spätestens drei Tage vor ihrem Erscheinen, bei der Schulleitung in drei Ausgaben vorgelegt und abgesegnet werden. Fällt eine Nummer durch, muß die Bezirksregierung entscheiden, ob die Zeitung an der Schule verteilt werden darf. Im Kreis Ammerland, wo das KSR-Info an 17 Schulen verteilt wird, ist dieses Verfahren mit einen Riesenaufwand verbunden. Deshalb hatten die SchülerInnen sich gleich an den zuständige Stelle bei der Bezirksregierung gewandt.

„Die Reaktion der LehrerInnen, Eltern und Schulaufsicht wird als Maßstab gelten können für die Orientierungslosigkeit, mit der Aids-Aufklärung auch heute noch verhindert wird“, hatten die SchülerInnen in ihrer Gebrauchsanweisung geschrieben. Mittlerweile sind sie nicht die einzigen, die unter der Verklemmtheit der Behörden und ihrer restriktiven Erziehung zu leiden haben. Ammerlands Aids-Berater Peter Tiegel wurde von Oberkreisdirektor Enno Rode angewiesen, sich „in dieser Sache“ nicht mehr öffentlich in den Medien zu Wort zu melden. Markus Daschne