Swinging Metropolis

■ 60. Von der Wanne in die Schale

1947 klingen aus dem AFN die Berlin Swingsters, eine Combo, die auch in den ArmyClubs der Stadt zu Hause ist. Ihr Chef Johannes Rediske belegt klampfend, daß er dem schwarzen Gitarristen Charlie Christians, den man „Erfinder der Elektro-Gitarre“ nennt, genau zugehört hat. Drei Jahre später erlangt sein Name bereits so viel Bedeutung, daß mit veränderter Besetzung - erst das Rediske-Quartett, dann das -Quintett entsteht. Dernier cri ist der kühle Sound George Shearings, und auch bei den Rediskes schubbert der Schlagzeugbesen.

Untrennbar verbunden mit der Formation ist die Badewanne in der Nürnberger Straße, justament dort, wo sich das traditionsreiche Femina etabliert hatte. Hier wird „red hot“ gejammt, alle Welt trifft sich und kommt together, ganz ohne Peter Stuyvesand. Im Publikum sitzen Hildegard Knef und Viktor de Kowa, Paul Kuhn & Macky Kaspar

-rasch als „deutscher Harry James“ etikettiert improvisieren, es tanzt Kalle Gaffkus. Womit eine weitere ModeErscheinung auf dem Tapet wäre.

Wird regelmäßig am Montag zur JamSession geladen, gehören zwei weitere Abende dem beim gemeinen Volk beliebten „Boogie -Woogie-Tanzwettbewerb“. Und hier treten die legendären Spree City Stompers in Erscheinung. Ausgerechnet freitags „dürfen“ sie die Rediske-Band vertreten, an einem der beiden Boogie-Abende. Gern tun sie's nicht, fühlen sie sich doch der DixielandTradition verpflichtet. Anders als beim modernen Rediske wird unter Hawe ( Hans-Wolf) Schneiders Fuchtel konsequent der UrJazz gepflegt. Kommend von den Leipziger Feetwarmers steht am Beginn der Berliner Karriere eine Empfehlung vom „Hot-Geier“ Kurt Michaelis (siehe „Swinging Metropolis 27“) an Hans Blüthner, den Präsidenten des hiesigen „Hot Clubs“. (Als Mitglied Erwähnung findet immer wieder mal von Drenckmann, späterer Gerichtspräsident und RAF-Opfer.)

Viel zum Erfolg der Gruppe trägt das Zusammenspiel mit dem amerikanischen DixieTrompeter Wild Bill Davison bei, sowie später, 1960/61, nach einigem Besetzungswechsel, die Mitwirkung von Gerhard Vohwinkel. Der Hamburger Trompeter bringt als Arrangeur ein Novum ins Jazzgeschehen. Unter anderem mit „Warte, warte nur ein Weilchen“, „Das gibts nur einmal“ und „Was eine Frau im Frühling träumt“ verjazzt er altbekannte Gassenhauer, und so erscheinen auf dem französischen Label Vogue erstmals Jazztitel mit deutschem Gesang - was die Merry Tale Jazz Band rasch aufgreift und mit „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn“ einen Hit landet.

Den stompenden Spiritus rector Hawe ist zu verdanken, daß neben & nach der Badewanne zwei weitere Jazzlokale in Berlin entstehen. Nach einem Intermezzo im kurzlebigen Boogie -Club im ehemaligen Palais de Dance, Martin-Luther -Straße, wo er mit seinen Jungs als Hausband fungiert, macht er sich selbst auf die Suche nach einem geeigneten Domizil. Er findet es in der Kajüte, einem reichlich kaputten Kellerlokal. Wohl ist der Erfolg in dem nunmehr mit „Dixieland-City“ untertitelten Ruinenkeller bombig, wegen eben dessen Baufälligkeit aber muß bereits nach einem Jahr eine neue Lokalität gesucht werden. Zusammen mit den KajütenPächtern erobert Schneider 1954 die Eierschale am Breitenbachplatz und stößt damit in eine Lücke, nicht zuletzt, weil Wolfgang Neuss & Wolfgang Müller das Jazzprogramm mit Kabarett anreichern. Als echter StomperFan setzt sich Neuss auch mal ans Schlagzeug, so gut es eben geht, mit der Band mitzuhalten. Nachzulesen ist dies alles aus erster Hand in Hawe Schneiders Buch “... und abends Swing“, erschienen im Gerhard Schillinger Verlag, Hinterzarten. Weil Swing aber heutzutage nur noch Kaffee bedeutet, soll diese Serie hiermit beendet sein.

Norbert Tefelski