Kambodscha: Ringen um Einfluß

Sihanouk noch immer Präsident der Widerstandskoalition / Premier Hun Sens neuer Friedensplan  ■  Von Larry Jagan

London (taz/afp) - Wenn Sihanouk vergangene Woche abermals als Chef der kambodschanischen Widerstandskoalition zurückgetreten ist, dann zweifelsohne, um ungebundener manövrieren zu können. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt mag es aber auch ein Versuch sein, Druck auf China und seine Schützlinge, die Roten Khmer, auszuüben. Immerhin 600.000 US -Dollar läßt sich die chinesische Regierung die Präsidentschaft des Prinzen in der mit dem UNO-Sitz ausgestatteten Koalitionsregierung kosten, hinzu kommen 50.000 US-Dollar für Personal und Belegschaft in seiner Pekinger Residenz. Insofern ist es nicht unbedeutend, daß Sihanouk auch weiterhin in dieser Rolle figuriert. Denn lediglich als Chef des gemeinsamen Militärkommandos hat er vergangene Woche abgedankt und sich auf diesem Weg öffentlich von den Roten Khmer distanziert. Diplomatische Quellen in Paris vermuten noch andere Motive hinter seinem Rücktritt - es sei ein Hilferuf an Frankreich und die USA, Sihanouk aus der finanziellen Abhängigkeit von China zu entbinden.

Die vielversprechenden Beteuerungen des UN-Sicherheitsrates in Paris, der UNO eine gewichtige Rolle bei der Vorbereitung freier Wahlen einzuräumen, lassen hoffen. Bei den anstehenden Verhandlungen in New York wie bei den ASEAN -Gesprächen in Jakarta bleibt jedoch eine Schlüsselfrage stehen, was nämlich mit der Verwaltung Phnom Penhs in der angestrebten Übergangsregierung geschehen soll.

Gemeinhin akzeptiert ist unterdessen die Vorstellung eines Nationalen Rates, dem Mitglieder beider Konfliktseiten angehören sollen. „Ich akzeptiere sogar, daß dieser Rat den Sitz Kambodschas in den Vereinten Nationen besetzt“, sagte Hun Sen am Wochenende gegenüber der 'Financial Times‘. Aber Sihanouk besteht bislang auf der Auflösung der gesamten Phnom Penher Administration, erst dann würde auch er den UNO -Sitz räumen, den er mit dem Nationalisten Son Sann und den Roten Khmer teilt. Hun Sen zögert allerdings, seinen Apparat zu schwächen. Und um westlichen Vorwürfen Vorschub zu leisten, hat er nun den Vorschlag einer Zwillingsverwaltung ins Spiel gebracht. Während die Regierungsstrukturen in der Hauptstadt gewahrt werden, will er den drei Guerillafraktionen die Verwaltung über die von ihnen kontrollierten Zonen überlassen.

Von internationalen Treffen mag Sihanouk in Zukunft zwar Abstand nehmen, für ihr Scheitern mithin nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Doch noch beansprucht er, der legitime Kopf des kambodschanischen Staates zu sein. Er macht keinen Hehl daraus, daß er als Präsident nach Phnom Penh zurückkehren will. Wie schon die Regierung Hun Sen hat auch Sihanouk erkannt, daß die Gunst des Volkes hier nicht mehr auf dem Schlachtfeld zu gewinnen ist. In einem Brief an die „Mächte der freien Welt“ warnte er kürzlich vor der wachsenden Zahl der Khmer, „die die ultranationalistische und proletarische Ideologie der Roten Khmer tatkräftig unterstützen“. Die sechs Millionen Kambodschaner von seinem Vertretungsanspruch zu überzeugen, wird kein leichtes Unterfangen. Chea Sam, einst eine berühmte Tänzerin und Anhängerin Sihanouks, faßt die Gedanken vieler zusammen: „Nicht das Volk hat Sihanouk gestürzt, das war Lon Nol; nicht das Volk hat Sihanouk verraten, aber Sihanouk das Volk.“