Jazz „kammermusikalisch“

■ John Lindberg am Kontrabaß und Eric Watson am Piano bei DACAPO

Als „kammermusikalische Formation“ waren John Lindberg New York) und Eric Watson (Paris) angekündigt und das ließ mir eher Skepsis angeraten sein. Denn „kammermusikalisch“ löste bisher bei mir immer Assoziationen wie konzertant, introvertiert und akademisch aus, jedenfalls im Jazz -Zusammenhang. Verfallen nicht klassisch vorgebildete PianistInnen wie Watson oft der Versuchung, dem Jazz eine der europäischen Denkweise entwachsene Auffassung von „Ernsthaftigkeit“ aufzuzwingen, die nicht selten seine Vitalität und Eigenart aushöhlt?

Lindberg und Watson zeigten am Sonntagabend in den Weserterrassen, daß es auch anders geht. Das erste Stück, eine Hommage an Edgar Allen Poe mit dem Titel „Black Cat“, schien meine Befürchtungen allerdings erstmal zu bestätigen: melancholisch-balladeske Pianolinien ins liebliche changierend, vom Bass mit weichen, dunklen Schwingungen unterlegt, sehr schön und ohne Kanten - genau die Art von Musik, die ich gar nicht mag. Aber dann kam alles ganz anders. Schon das zweite Stück machte seinem Titel alle Ehre. „Situation Tragedy“ begann mit einem dramatischen Intro des gestrichenen Bass‘, das

Piano stieg mit kraftvoll hämmernden Tiefen ein und gab damit dem Bass Gelegenheit, sich in treibendem Rhythmus in schwirrende Höhen hinaufzustreichen.

hier das foto

mit dem Kontrabaß

John Lindberg am Kontrabaß

Lindberg und Watson bewegten sich meist in einem streng durcharrangierten Rahmen, der nur ab und zu Freiraum für Improvisationen ließ. Der Gefahr konzertante, vielleicht virtuose aber gleichzeitig leblos-akademische Muster zu produzieren, begegnete das Duo durch ein ausge

prägtes Gespür für Rhythmik und Dramatik im Ausdruck und in den Wendungen. Ihre Musik entzieht sich herkömmlichen Kategorisierungen - in letzter Zeit eine vielgenutzte Floskel, aber hier scheint sie mir wirklich angemessen. Sie entwickelten ein pulsierendes Geflecht aus Dichte und Auflösung, Kraft und Verhaltenheit, swingenden Linien, freiem Ausdruck und Elementen der neueren Klassik.

Lindberg schien manchmal mit seinem Kontrabass zu tanzen. Zu schreiben er beherrsche sein Instrument, ist unangemessen, denn es war nichts herrschendes in seiner Spielweise, Arbeit, Anstrengung, Konzentration - ja, aber unverkrampft, ein gleichermaßen sensibles und furioses Spiel. Die Bandbreite reichte von verhaltenen Lauttupfern bis zu auf den Steg knallenden Saiten. Mit Watson hat er einen kongenialen Partner am Piano sitzen, der nicht zuletzt durch die eigentümliche Widersprüchlichkeit zwischen seiner

-ganz die „klassische Schule“ - fast exaltierten Anschlagstechnik und deren hörbaren Resultaten faszinierte. Ein begeisternder Auftritt, der herkömmliche Vorstellungen von „kammermusikalischem“ Jazz angenehm aufweichte. Arnaud