Die letzten Vorräte hat die Unita verbrannt

Das von einem blutigen Bürgerkrieg geschlagene Angola steht nun auch vor einer Hungerkatastrophe / 900.000 Menschen bedroht  ■  Aus Angola Arlindo Pereira

Der Süden Angolas erlebt erstmals seit Jahrzehnten eine katastrophale Hungersnot. Von den zwei Millionen Notleidenden sind nach Angaben der angolanischen Regierung 900.000 Menschen in Lebensgefahr. Wieviele Menschen bereits verhungert sind, ist im Augenblick unklar, Beobachter sind sich jedoch einig, daß der Höhepunkt der Katastrophe erst noch bevor steht. Die Hungersnot erstreckt sich vor allem auf die Provinzen Huila, Namibe, Cunene und Cuando Cubango. Die Regenzeit ist dieses Jahr ausgefallen und die Menschen ernähren sich seit Monaten hauptsächlich von Baumwurzeln und wilden Früchten. Das Saatgut, das die nächste Ernte sicherstellen soll, haben sie bereits vor Monaten aufgegessen. Die Reaktionen in Westeuropa und Nordamerika auf die Appelle aus Angola, umgehend Nahrungsmittel zu schicken, sind bisher sehr zurückhaltend. Mit Ausnahme der „Deutschen Welthungerhilfe“ ist noch keine europäische Hilfsorganisation direkt an Aktionen für die Opfer der Hungersnot beteiligt. Die Hungersnot in Angola wird noch verschärft durch den Bürgerkrieg zwischen den von den USA weiterhin unterstützten Unita-Rebellen und Regierungstruppen in diesen Gebieten.

Im folgenden dokumentieren wir Auszüge eines Gesprächs, das taz-Mitarbeiter Arlindo Pereiro mit dem kanadischen Arzt Stephen Forster führte. Forster arbeitet in einem Krankenhaus in Caluquembe, einem besonders schwer betroffenen nördlichen Bezirk der Provinz Huila.

Stephen Forster: „Über viele Jahre war Caluquembe als Synonym für Nahrung angesehen worden, als Gebiet, wo es den Leuten gut ging - der Ernst der Situation ist einfach unterschätzt worden. Wir im Hospital hatten damit gerechnet, daß es Probleme geben würde. Verstärkt wurde die Not durch Aktivitäten der Rebellenbewegung Unita. Die Unita ist dafür verantwortlich, daß die ganze dörfliche Infrastruktur zerstört und fast sämtliche Dörfer um uns herum angegriffen wurden. Von September bis November verging kein Tag, an dem nicht ein Dorf zerstört und verbrannt wurde. Ganz besonders war man auf die Vorratskörbe für Mais aus. Jegliche Vorräte, die die Dorfbevölkerung zur Seite gelegt hatte, jeder einzelne Sack oder sogar kleinere Mengen Mais wurden aufgespürt, um sie zu verbrennnen. Meinem Eindruck nach zielte das eindeutig darauf, die lokale Bevölkerung von jeder Nahrung abzuschneiden und soviel wie möglich leiden zu lassen, um auf diese Weise Druck auf die Regierung auszuüben. Die Unita verminte und zerstörte auch die wichtigste Brücke der Verbindungsstraße zur Außenwelt, über einen 60 Meter breiten Fluß. Es ging ihr darum, die 550.000 Menschen in Caluquembe und dem Nachbarbezirk Caconda zu isolieren.

Ich lebe schon seit 1950 in Afrika und ich habe noch niemals so ausgezehrte Menschen gesehen wie diejenigen, die in den letzten vier Wochen zu uns gekommen sind. Menschen, die buchstäblich kaum die Energie haben, einen Fuß vor den anderen zu setzen, Menschen, die sich eine halbe Stunde lang nicht bewegen und nichts sagen, die nicht einmal mehr die Kraft haben, zu erklären, warum sie gekommen sind.

Mitte November begannen wir, kleine Portionen Suppe oder Essen zu verteilen. Zuerst kamen zehn bis 15 Leute zum Mittagessen, nach drei Wochen schon 90. Wenn soviele Leute zu Ihnen kommen und Sie haben nur 30 Liter Suppe, bekommt niemand sehr viel. Nach einiger Zeit fanden wir heraus, daß alle Krankenhausmitarbeiter zusammen über 300 Leuten ein Mittagessen gaben. Aber, mein Gott, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Dies sind Menschen, die zwei Kilometer gehen, um zu unseren Häusern zu kommen, die anderen, die 60 oder 80 Kilometer entfernt leben, haben nicht mehr die Kraft, zu uns zu kommen. Am 2.Januar haben wir unsere Vorräte überprüft und festgestellt, daß sie nur noch bis zum 25.Januar reichen würden.

Zum Glück sind wir eine internationale Einrichtung mit einigen Kontakten nach draußen. Die Kirche von Caluquembe hat von einer kanadischen Organisation insgesamt 260 Tonnen Mais bekommen, das war eine enorme Hilfe. Aber dann stellten wir fest, daß nur fünf Kilometer von uns eine katholische Mission mit 5.000 Menschen ohne Nahrung war. Also haben wir unseren Mais mit ihnen geteilt. Wir haben SOS-Hilferufe an Organisationen in Kanada, den USA und der Schweiz geschickt und versucht, ihnen die drastische Situation klarzumachen. Wenn nicht bald etwas mit Flugzeugen hergeschafft wird, werden hier Tausende sterben.“

Die Deutsche Welthungerhilfe bittet unter dem Stichwort „Angola“ um Spenden auf das Konto 111 bei der Sparkasse Bonn