Letztes Gefecht der polnischen Kommunisten

PVAP hat sich nach der Spaltung aufgelöst / Die neue Partei nennt sich „Sozialdemokratie der Republik Polen“ / Einziger aussichtsreicher Kandidat für Vorsitz: Kwasniewski / Eine weitere Abspaltung ist noch offen, da die „alten Figuren“ viele Kröten schlucken  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

„Auf zum letzten Gefecht“, sangen die Delegierten ein letztes Mal. Dann trugen die Ordner die Parteifahne hinaus und ein sichtlich gerührter Mieczyslaw Rakowski verließ unter minutenlangem Beifall die Rednertribüne. Am Montag morgen um zwei Uhr nachts beendete die „Polnische Vereinigte Arbeiterpartei“ ihr über vierzigjähriges Dasein. Selbst das Urteil der Delegierten über diese vierzig Jahre fiel recht hart aus: Die Partei habe es nicht geschafft, den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden; von den von ihr postulierten Werten Freiheit und Gerechtigkeit sei keines verwirklicht worden.

Zu jenem Zeitpunkt, als die Delegierten die Internationale absangen, hatten viele von ihnen bereits die Mitgliedschaft einer neuen Partei, die kurz zuvor - unter Absingen der Nationalhymne - aus der Taufe gehoben worden war. Nach stundenlangem Tauziehen hatte sich die sozialdemokratische Option durchgesetzt: Die Nachfolgerin der PVAP heißt einstweilen „Sozialdemokratie der Republik Polen“. Einstweilen deshalb, weil noch keineswegs sicher ist, daß sie sich nicht auch noch spaltet.

Bereits am Samstag abend hatte Sejm-Präsident Fiszbach mit seiner Gruppe den Saal verlassen und die „Sozialdemokratische Union der Republik Polen“ in einem Nebensaal des Kongreßgebäudes gegründet. Die Mitglieder der Union beschlossen später, sich an den Beratungen nicht mehr zu beteiligen. Fiszbach: „Wichtiger als Einheit ist Glaubwürdigkeit.“ Das Problem hatte auch der „Sozialdemokratische Block“, von dem etwa 100 Mitglieder zu Fiszbachs Gruppe überliefen. Denn im Verlauf des Parteitags ergab sich eine immer grotesker anmutende Situation: Hatten die radikalen Reformer der „Bewegung Achter Juli“, die den Ton im sozialdemokratischen Block angaben, gehofft, mit Hilfe eines eindeutig sozialdemokratischen Programms und einer sozialdemokratischen Namensgebung den konservativen Flügel zum Auszug bewegen zu können, so erwies sich, daß die Konservativen offenbar bereit waren, dies alles zu schlucken, um die Einheit der Partei zu bewahren und nicht eine eigene „kryptokommunistische Partei“ (so ein Delegierter) gründen zu müssen.

Einen ersten Höhepunkt erreichte diese groteske Situation, als Bogdan Poreba, Vertreter der antisemitischen und extrem reformfeindlichen „Patriotischen Vereinigung Grunwald“ Tadeusz Fiszbach als Parteivorsitzenden vorschlug. So schluckten die Konservativen nacheinander das Programm, den Parteinamen und zuletzt sogar die Kandidatur Aleksander Kwasniewskis zum Parteivorsitzenden.

Für den „Demokratischen Block“ stellte sich die Frage der Glaubwürdigkeit. Auf dem letzten gemeinsamen Treffen mit Fiszbachs Gruppe drückte der Danziger Ex-Parteichef dies so aus: „Was geschieht, wenn wir eine sozialdemokratische Partei mit einem sozialdemokratischen Statut und Programm gründen, in dem die ganzen alten Figuren noch drin sind?“ Ein Delegierter: „Da lachen uns die Leute draußen doch aus!“ Aleksander Kwasniewski schlug daher vor, das weitere Verbleiben in der neuen Partei von der Zusammensetzung der Führung abhängig zu machen. Kaum wurde er zum Vorsitzenden vorgeschlagen, machte er die Annahme seiner als sicher geltenden Wahl prompt davon abhängig, ob 60 von ihm vorgeschlagene Kandidaten in den „Führungsrat“ der neuen Partei gewählt würden. Insgesamt wird dieses oberste Gremium, das künftig das Zentralkomitee ersetzt, 150 Mitglieder haben, von denen 50 von den Wojewodschaften delegiert werden. Eine weitere Sollbruchstelle wird die Wahl des Generalsekretärs sein. Doch auch hier wird die Fraktion des offiziellen Gewerkschaftsbundes OPZZ bemüht sein, um jeden Preis einen Auszug zu vermeiden: Denn nur die neugegründete „Sozialdemokratie“ hat eine Chance, auch materiell das Erbe der PVAP anzutreten. Fiszbachs Gruppe hat unterdessen bereits auf entsprechende Ansprüche verzichtet.