DDR-Israel durch Bonn verzögert?

■ Heute beginnnen in Kopenhagen Vorverhandlungen über diplomatische Beziehungen und Entschädigungsleistungen

Tel Aviv (taz) - Die DDR verhandelt seit gestern in Kopenhagen mit der israelischen Regierung über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen. Zu den zweitägigen Gesprächen trafen sich der DDR-Botschafter Hans Naumann und der Berater des israelischen Außenministers Michael Schilo.

Im Jerusalemer Außenministerium wird betont, es handele sich lediglich um ein Treffen „auf mittlerer Beamtenebene“ und mit einer raschen Entscheidung sei vorerst nicht zu rechnen. Als Bedingung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen hat Israel wiederholt von der DDR-Regierung die Anerkennung einer Mitschuld am Holocaust und Entschädigungszahlungen an den Staat Israel - nicht an Einzelpersonen - gefordert. Außenminister Netanjahu legt deshalb Wert darauf, das gesamte jüdische Volk zu repräsentieren. Tatsächlich aber vertritt die New Yorker Claims Conference die jüdischen Interessen in Deutschland.

Nach Informationen der 'Jerusalem Post‘ versucht die Bonner Bundesregierung, die Herstellung voller diplomatischer Beziehungen der DDR zu Israel zu „verlangsamen“. Nach einem Bericht dieser Zeitung hat die Bundesregierung Israel gebeten, den Zeitpunkt der Aufnahme von Beziehungen zur DDR bis nach den Wahlen in der DDR zu verschieben. Die Wahlen sollten erst zeigen, ob die DDR-Bevölkerung mehrheitlich für eine Wiedervereinigung stimme. Kanzlerberater Horst Telschik soll dieses Anliegen bereits in mehreren Gesprächen dem israelischen Botschafter in Bonn, Benny Navon, vorgetragen haben.

Das Interesse der DDR-Regierung ist es dem Bericht zufolge, mit der sofortigen Aufnahme der Beziehungen den Forderung nach Wiedervereinigung entgegenzu

treten.

Entgegen der amtlichen Darstellung, nach der es sich in Kopenhagen nur um „Vorverhandlungen“ handelt, ist aus israelichen Regierungskreisen zu hören, daß die DDR eine Mitverantwortung an den Verbrechen des nationalsozialistischen Staates anerkennt und Entschädigungszahlungen prinzipiell leisten will.

Amos Wollin