In Magdeburg wird Ernst Albrecht noch bejubelt

Niedersachsens Ministerpräsident macht Wahlkampf in der DDR / Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sollen Partnerländer werden Eine Million Dachziegel als Soforthilfe / Albrecht verspricht ein zweites deutsches Wirtschaftswunder / Skeptische Reaktion  ■  Aus Magdeburg Jürgen Voges

Das dumpfseelige Begrüßungsklatschen wollte kein Ende nehmen. Für seinen Einzug hatte Ernst Albrecht den längsten Weg quer durch den Saal der Magdeburger Stadthalle gewählt. Die Feuerwehrkapelle aus Barterode bei Göttingen bließ die „Lustigen Hannoveraner“. Der Ministerpräsident ging im Takt der Blechmusik, winkte. Die zweieinhalbtausend Magdeburger Bürger waren aufgestanden, klatschen im Rhythmus, johlten, pfiffen und jubelten dem niedersächsischen Ministerpräsidenten zu.

„Die Menschen in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen - Partner in Deutschland“, hieß das Motto dieser ersten Großveranstaltung der niedersächsischen CDU in der DDR.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christdemokraten war als Künder der Wiedervereinigung nach Magdeburg gekommen: „Deutschland einig Vaterland“ und „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“, zitiert er die Hymnen beider deutscher Staaten und löst wieder Jubel aus. Albrecht propagierte „ein einiges, freiheitliches Deutschland von Frankfurt an der Oder bis Aachen“. Man müsse zwar Rücksicht auf die Nachbarstaaten nehmen, aber könne schon im Moment die „de facto-Einheit unseres Volkes schaffen“, etwa „die deutsche Staatsbürgerschaft auch in der DDR einführen“.

„Einige Millionen DM“ aus dem niedersächsischen Landeshaushalt für das Gesundheitswesen und „eine Million Dachziegeln samt dazugehörigen Dachrinnen“ hat Ernst Albrecht am Sonntag den Magdeburgern als Soforthilfe mitgebracht und dazu noch vier gute „Ratschläge“. Bei der Wahl in der DDR müsse der „Rechtsstaat gesichert“, eine „dynanische Rente“ eingeführt und die Umwelt verbessert werden, vor allem aber müsse „aus dem wirtschaftlichen Niedergang der DDR schnell ein Aufschwung gemacht werden“. „Das Volk der DDR hat sich längst für die soziale Marktwirtschaft entschieden. Wenn sie das richtig machen, wird es ein zweites deutsches Wirtschaftswunder geben“.

„Ihr Ausdruck Wirtschaftswunder hat mich sehr betroffen gemacht, bei unserer darnieder liegenden Wirtschaft kann ich das mir nicht vorstellen“, lautete dann in der Diskussion die erste Frage einer Magdeburger Bürgerin. Die Menschen in der DDR seien genauso fleißig wie in der Bundesrepublik und hätten eine relativ gute Ausbildung, antwortete Albrecht. Die Produktivität in der DDR sei nur durch die Störungen im Wirtschaftskreislauf so niedrig, die die Planwirtschaft verursache. Großzügige Hilfe versprach der Ministerpräsident nicht. Auch an der Elbe war der Jubel beim Einzug des Ministerpräsident weitaus größer als am Ende seines Auftritts.