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Modrow sieht Existenz der DDR bedroht

■ „Regierung der nationalen Verantwortung“ unter Beteiligung der Opposition wird gebildet / Volkskammer soll schon am 18.März neu gewählt werden / Endgültige Entscheidung am Montag / Gemischte Reaktionen auf Wahlvorverlegung, nur Gysi (SED-PDS) hat andere Probleme

Berlin (taz/ap/afp) - Die Wahlen zur Volkskammer der DDR sollen vom 6.Mai auf den 18.März vorverlegt werden. Darauf einigten sich in der Nacht zum Montag Ministerpräsident Modrow und Vertreter der Oppositionsgruppen. Die Volkskammer wird darüber endgültig am nächsten Montag entscheiden. Bis zu den vorgezogenen Wahlen soll das 27köpfige Kabinett Modrow um acht Minister ohne Aufgabenbereich erweitert werden, die von den Parteien des runden Tisches entsandt werden. Entgegen ursprünglichen Vorstellungen der Opposition wird es keine parteiunabhängige Regierung sein. Die neuen Regierungsmitglieder sollen bis Mittwoch benannt und am Montag in der Volkskammer bestätigt werden.

Am Montag zeichnete Modrow in der Volkskammer ein dramatisches Bild der Lage, wohl auch um die Abgeordneten, die sichtlich darüber verärgert waren, von Wahltermin und Regierungsumbildung über die Medien erfahren zu haben, auf seinen neuen Kurs einzustimmen. Er erklärte, die Regierungskoalition erweise sich „zunehmend als zerbrechlich“, die Spannungen in der Gesellschaft nähmen zu. Wirtschaftliche Forderungen würden erhoben, deren Erfüllung zusammengerechnet 40 Milliarden Mark kosten würde, ein Drittel des aktuellen Einzelhandelsumsatzes eines Jahres, und das bei einem Haushaltsdefizit von 17 Milliarden. Durch Streiks würde die ökonomische Lage weiter verschlechtert. Die örtlichen Volksvertretungen befänden sich in einem Zustand des Verfalls, beschleunigt durch die Aufdeckung von Wahlmanipulationen. Zugleich verschlechtert sich die Rechtssicherheit. Bombendrohungen und tätliche Angriffe gegen Bürger häuften sich und führten zu Unsicherheit. Schließlich nehme die Ausreisewelle nicht ab. Wegen dieser die Existenz der DDR bedrohenden Lage sei eine „Regierung der nationalen Verantwortung“ als Stabilitätsfaktor notwendig.

Nach Modrows Erklärung kam die Volkskammer zu ihrer Tagesordnung: ein Wahlgesetz, das freie, gleiche und geheime Wahlen garantieren soll, wurde in erster Lesung behandelt. Gegenüber dem am 12.Januar veröffentlichten ersten Entwurf weist es vor allem zwei Neuerungen auf: das Verbot ausländischer Finanzierung wurde gestrichen, da es - so der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses, Eberle - vom Leben überholt ist. Und nicht nur Parteien, sondern auch andere politische Vereinigungen werden sich an der Volkskammerwahl beteiligen können. Vertagt wurde eine Verfassungsänderung, die den in der DDR lebenden Ausländern ein Wahlrecht in den Kommunen einräumen wird. Die Volkskammer wird bei der nächsten Sitzung am 5.Februar auch ein Gesetz über kommunales Wahlrecht in 1. Lesung verabschieden.

Unterschiedlich die Reaktionen auf den frühen Wahltermin: Die SPD-DDR zeigte sich sichtlich erfreut, die Vertreter kleinerer und noch im Aufbau befindlicher konservativer Parteien waren verärgert. Nur der SED-PDS-Vorsitzende Gysi reagierte mit Gleichmut. „Für uns ist jeder Wahltermin gleich ungünstig“, meinte er.

ws Siehe die Seiten 2 und 3

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