Schnellfraß, übel genommen

■ Betr.:Macbeth so normal wie Macdonald“ 'taz 16.12.89

Liebe Frau Stolle, so sehr ich sonst meist Ihre Kritikerinnenfeder schätze und bewundere, so wenig gefällt mir Ihre spitze Attacke auf die „Macbeth„-Inszenierung der Shakespeare-Company. Sie hätten deutend schreiben können über die Abschaffung der Hexen, über die Streichung einer großen Zahl von Charakteren, über die Säkularisierung des Weltbildes, über die zeitgenössischen Anspielungen von Besuchergeld bis Herrhausen, über Volkstheater, Shakespeare damals und heute, Macbeth als Mafia-Mussolini-Pinochet- und (sterbend) Wildwest-Männchen: über die vorgeführte Kühnheit hätten Sie streiten können, mit der hier ein Klassiker zugerichtet wurde, aber Sie mäkeln nur an vielem davon herum. Das nehme ich Ihnen übel, daß Sie der Mac Mac -Verführung des billigem Wortspiels hier erlegen sind; das ist tief unrichtig. Selbst wenn man einwenden kann (was Sie ganz so nicht getan haben), daß sowohl „Heinrich IV/V “ als auch „Troilus und Cressida“ und jetzt „Macbeth“ über den nämlichen interpretatorischen Leisten geschlagen werden , nämlich, wie Sie ja sagen, den der Männerkritik, so macht das diese Inszenierung noch lange nicht zu kunstfernem Schnellfraß! Ich verstehe, daß Sie als Kritikerin sich profilieren wollen und müssen. Aber in diesem Fall werfe ich Ihnen vor, daß Sie Ihre Shakespeare-Company-Müdigkeit allzusehr hervorgekehrt haben, ohne sie auf angemessenem Niveau in Bezug zur Shakespeare-Rezeption gesetzt zu haben. Da liegt, denke ich, in Ihrer Kritik ein ziemlich grundsätzliches Versäumnis: daß Sie nicht (laut) mitbedenken, daß „Macbeth„-Aufführungen sich an einer langen Rezeptionsgeschichte abarbeiten müssen; daß solche Umformung des Stücks nur möglich und wirksam und unterhaltsam und aufklärerisch wirkt und wird in Abhebung von älteren Auffassungen und Aufführungen (die man als Zuschauer mitsieht). Ihr nörgelndes „Schauspieler und Publikum wissen schon alles , ehe alles angefangen hat“ entfaltet diesen Zusammenhang eben gerade nicht, sondern verdeckt ihn. Dadurch bleibt Ihre Kritik, selbst indem sie lobt, zu flach: fast wie ein BigMäc.

Mit freundlichen Grüßen, J.U.Davids . .