Bombenstimmung an der Achterbahn

■ Amtsgericht verhandelte anonyme Bombendrohung / Fast ein Familientreffen mit Bewährung

Am 19. Oktober 1989 um 21.13 Uhr, während auf der Bürgerweide das wilde Leben des Freimarktes tobte, gingen beim Polizeinotruf und beim Pförtner des Bremer Pressehauses anonyme Anrufe ein: An der Achterbahn sei eine Bombe deponiert, die um 22.00 Uhr zünden würde. Wenig später: Der Anrufer wiederholt seine telefonische Drohung, doch diesmal wird der Anschluß „ge

fangen“, der Anrufer ermittelt und eine Streife an die verdächtige Adresse geschickt. Bevor sich die Beamten auf den Weg machen, hören sie in der Einsatzzentrale das Tonband mit den beiden Anrufen ab. An der Stimme identifizieren sie einen alten Bekannten: Den 28jährigen Maurer Ulrich R.

Der stand gestern vor dem Bremer Amtsrichter Baumgarte und konnte sich an Details nicht mehr erinnern. „Filmriß“ hob er bedauernd die Schultern: Er gab zu, der anonyme Anrufer zu sein, doch wie es dazu kommen konnte, wußte er nicht mehr. Schließlich habe er „ganz schön was geraucht“ an dem Abend. Richter Baumgarte kannte R. bereits aus einem früheren Verfahren.

R. war an besagtem Abend nicht alleine. Sein Freund Ralf war mit dem Stoff vorbeigekommen und Zeuge der beiden Anrufe. Ralf beschrieb den Zustand seines Freundes als „völlig aufgelöst“. Wen genau R. angerufen hatte, konnte er nicht sagen. „Ich habe nur mitbekommen, daß er irgendwas in die Luft sprengen

wollte.“ Ralf kannte nicht nur den Angeklagten gut, sondern war bereits einmal Zeuge in einem Verfahren gegen ihn. Es ging damals um eine fahrlässige Verletzung mit einer Schußwaffe. Zeuge Ralf: „Ich habe damals die Kugel abbekommen, aber das war ja nur ein Versehen.“

Mit den beiden Polizisten, die kurz nach dem zweiten anonymen Anruf in der Wohnung Rs auftauchten, entflammte ein heftiger Wortstreit. Die Beamten wollen das verdächtige Telefon in Augenschein nehmen, R. duldet sie nicht in seiner Wohnung. „Ohne Durchsuchungsbefehl habt ihr dazu kein Recht“ soll R. sie angeschnauzt haben. Richter Baumgarte später in der Urteilsbegründung: „Wer so mit Polizisten redet, kann nicht ganz zu sein.“ Die Beamten haben gerade noch erkennen können, daß der Telefonanschluß aus der Dose gerissen war, bevor sie die Wohnung verließen, „um eine Schlägerei zu

vermeiden“.

R. und Ralf verlassen darauf die Wohnung. Wohin sie genau gegangen sind, ließ sich gestern nicht mehr vollständig rekonstruieren. Aber eine Stunde später treffen sie vor der Wohnung Rs die beiden Beamten wieder. „Viel gelöster“ sei das folgende Gespräch dann verlaufen, gaben die Beamten dem Amtsrichter zu Protokoll. R. habe die Telefonanrufe zugegeben und Angst gehabt wegen seiner laufenden Bewährung.

Weniger gelöst war die Staatsanwaltsreferendarin am gestrigen Nachmittag. „Gesteigerte krimminelle Energie“ bescheinigte sie dem Angeklagten und plädierte auf drei Monate ohne Bewährung. Wäre der Richter diesem Antrag gefolgt, wäre die Bewährung Rs hinübergewesen. Dem mochte der Richter dann doch nicht folgen und verurteilte R. zu 90 Tagessätzen zu 40 Mark. ma