Puritaner contra Schlüpfriges im TV

■ Vom Gericht gemaßregelte Eidgenossen ringen an der „Sex-Front“ um ihre Medienfreiheit

Höchstrichterlich ist das Schweizer Fernsehen DRS jetzt wegen einer dem Sex gewidmeten Folge der beliebten Reihe grell-pastell zusammengestaucht worden. Begleitet von harschen Einschätzungen wie „seichte Sex-Revue“ oder „Blödelei“ hat das Bundesgericht in Lausanne die Ausgabe von grell-pastell mit der streitbaren deutschen Theologin Uta Ranke-Heinemann als eine Konzessionsverletzung eingestuft, denn das zu sittlicher Bildung verpflichtete Fernsehen DRS habe religiöse Überzeugungen verletzt.

„Reihenweise wichtige Fragen“ werfen nun die Sendung vom 25. November 1988 und der bis nach Lausanne gezogene Rechtstreit auf. Dabei haben die Richter nur einen der zwei Punkte anerkannt, die von der „Unabhängigen Beschwerdeinstanz“ für Radio und Fernsehen der Dach-Anstalt SRG, wozu DRS gehört, beanstandet worden waren. Diese Instanz war von 92 aufgebrachten Schweizern wegen Pornographie und Verletzung religiösen Empfindens angerufen worden. Die SRG zog dann vor Gericht.

Daß ernsthafte Themen und leichte Kost nach dem erfolgreichen Konzept der Sendung kontrastierend gemixt wurden, ergrimmte die Richter besonders. Nicht was die Theologin über katholische Dogmen und den Papst sagte, hielten sie für rechtswidrig, die Äußerungen seien vielmehr in dem unterhaltsamen Sendeblock zum „Sex“ fehl am Platz gewesen - und die Programm-Macher von allen guten Geistern verlassen. Der zuvor ebenfalls beanstandete Auftritt von „Seite-3-Girls“ eines Boulevardblattes sei dagegen kein Verstoß.

Hektisch antwortete das öffentliche Fernsehen auf die unerwartete Schelte aus Lausanne. Das am 15. Februar geplante grell-pastell zum Thema „Alter“ wurde kurzerhand abgesetzt, da die Macher jetzt unsicher sind, was sie in ihrer unterhaltsam-ernsten Live-Sendung überhaupt noch dürfen. Viel stehe auf dem Spiel, so Fernsehdirektor Peter Schellenberg. Das jüngste Urteil, das noch genau gelesen werden müsse, könne an die „Wurzeln des Programmschaffens gehen“.

Nicht nur grell-pastell-Moderator Kurt Kurt Aeschbacher, die Schweizerische Journalisten-Union und der PEN-Club sehen jetzt die Sendereihe gefährdet. Von Zensur und staatlicher Medienpolizei ist die Rede. Selbst die 'Neue Zürcher Zeitung‘ brach eine Lanze für grell-pastell und rügte die „deplacierten Abqualifizierungen“ der Sendung durch die Richter.

dpa