Neu im Kino

■ „Jesus von Montreal“

Was haben hundert Meter Supermarkt-Regal und Jesus miteinander zu tun ? Wenn dem kanadischen Regisseur Denys Arcand Glauben geschenkt werden darf, eine ganze Menge. Der Sohn Gottes als ein Waren-Angebot unter vielen. Genau dieses Muster verfolgt Arcand (bekannt geworden mit Der Untergang des amerikanischen Imperiums in seiner neuen Kinoarbeit Jesus de Montreal. „Erschütternd, trivial und widersprüchlich“ sollte sein Film werden, ganz wie im richtigen Leben. Zwei dieser drei Adjektive konnte Arcand durchaus filmisch umsetzen, nur erschütternd wirkt sein Werk nun gar nicht - zum Glück.

Ein junger Schauspieler will unbedingt das Passionsspiel „Der Weg des Kreuzes“, das tatsächlich jährlich in Montreal aufgeführt wird, in einer modernen Version inszenieren. Das Ansinnen Daniels (Lothaire Bluteau) ist nicht gerade sensationell, aber immerhin findet die Aufführung auf dem nächtlichen Mount Royal statt, einem Berg oberhalb der glitzernden Stadt. Was macht also ein ambitionierter Theater -Regisseur, der ein traditionelles Ereignis in möglichst kurzer Zeit umkrempeln und einstudiern möchte? Er sucht sich zunächst ein paar SchauspielerInnen. Über die Gründe dieser Arbeitswut am biblischen Thema läßt uns Arcand weitgehend im Unklaren, und da wären wir auch schon wieder beim langen Regal im Supermarkt. Filmebenen sind halt doch etwas anderes als das Nebeneinander von Duftwässerchen und Hundekuchen.

Es scheint, als habe Arcand den stringenten Weg verlassen, ohne es recht zu merken. Über mangelnde Ideen kann sich das Kinopublikum nach knapp zwei Stunden nicht beklagen. Der Regisseur versteht sein Handwerk. Wenn ein potentieller Darsteller des Passionsspiels aus seiner momentanen Verpflichtung als Synchronsprecher für Pornofilme herausgerissen wird, in der er sogar eine Doppelrolle übernehmen mußte, kommt unweigerlich Heiterkeit auf. Auch das grenzenlos dümmliche Gerede mancher Theater-Fans über Gott und die Welt und den hohlen Mond ist lustig in Szene gesetzt. Doch Arcand mochte sich offensichtlich nicht beschränken. So erfahren wir neben der stilvoll photographierten Aufführung auch noch von sexistischen Werbepraktiken, Vermarktungsmöglichkeiten von Kultur und glücklichen Organempfängern.

Die Organe stammen von Daniel, der bei einem Polizeieinsatz gegen sein umstrittenes Passionsstück schwer verletzt wurde. Einmal Jesus, immer Jesus, mag sich der Regisseur gedacht haben. Der Soundtrack und die Kameraführung sind grundsolide und selbst die modernistische Passionsidee könnte stechen. Aber zuviel Kuddel-Muddel schadet eben. Wahrscheinlich sogar im Supermarkt. Jürgen Franck

Schauburg 21 Uhr