Freiheit - auch für „Freudenhäuser“

■ Die Vertreter von DDR-Parteien - vom Neuen Forum bis zur SED-PDS - einig: Auch für Bordelle, Peep-Shows und Sex-Shops müsse es Gewerbefreiheit geben / Beate Uhse will ein Dutzend Filialen eröffnen / Nur unsichere Rechtslage verhindert den Markteinbruch westlicher Unternehmen

Auf dem Weg zur „freien“ Marktwirtschaft in der DDR soll es auch „sündige Meilen“ geben. Von SED-PDS, SPD und CDU über LDPD bis hin zum Neuen Forum äußerten sich Parteien und Gruppen wohlwollend über zukünftige Gewerbegenehmigungen für Sex-Shops, Peep-Shows und „Freudenhäuser“. Die Frage nach entsprechenden Etablissements stellten interessierte BürgerInnen den Parteien und Organisationen im Rahmen einer Veranstaltung des Ostberliner Kulturbundes. Ein Sprecher der Bauernpartei war sich sicher, „daß diese Einrichtungen Bestandteil unseres Entwicklungsweges werden.“ Der SED-PDS -Vertreter stellte schlicht fest: „Wir haben es nicht im Parteiprogramm...“, grundsätzlich sei dagegen jedoch nichts einzuwenden, wenn es bestimmte Regelungen gäbe: „als Gewerbe zum Beispiel“. Ganz marktwirtschaftlich gab sich der LDPD -Sprecher: „Wenn sich einer finden wird, der glaubt davon leben zu können, so glaube ich, sollte man dies nicht reglementieren.“ Als ob es noch eine „Glaubensfrage“ wäre, ob jemand davon leben könne! Allerdings ist die DDR in dieser Hinsicht tatsächlich recht „unbefleckt“. So haben denn auch diejenigen, die im Westen nicht schlecht von von dem Geschäft mit der Lust leben, bereits ihre Fühler ausgestreckt, wie sie ihre Brüder (und Schwestern) mit „Freudenhäusern“, an-, er- oder auch aufregenden Dessous, Magazinen, Videos oder anderen „ehehygienischen Artikeln“ beglücken können.

Nur die unsichere Rechtslage hält auch die Expansionslust Westberliner Unternehmen noch in Grenzen: „Da läßt sich frühestens in 'nem halben Jahr was machen“, meint Sven Hurum vom „Erotikmarkt“ auf Anfrage der taz. Außerdem gäbe es drüben ja noch gar keine richtige Kaufkraft.

„Jedes Wort, das ich sage könnte prekär werden“, gab sich auch „Sex-Center„-Geschäftsführer Michael Baumann bedeckt. Natürlich habe man Ambitionen, Läden auch im Ostteil der Stadt zu eröffnen, aber vor den Volkskammerwahlen müsse damit sehr vorsichtig umgegangen werden. Offensichtlich haben die Sexgeschäftemacher noch nichts von der günstigen Stimmung innerhalb der Parteien für ihre Angebote mitbekommen.

Wesentlich offensiver dagegen ist Beate Uhse. Um den „enormen Nachholbedarf“ des anderen deutschen Staates zu befriedigen, wurden bereits in den ersten Tagen nach der Maueröffnung kostenlos Kataloge an Besucher aus dem Osten verteilt. Für 15 Ost-Mark können sich Bedürftige jetzt die begehrten Magazine schicken lassen. Besonders gefragt, so die Vorstandschefin des Konzerns, seien aber auch Vibratoren, Reizwäsche, Videos und Kondome - ob mit Gorbi -Konterfei oder nicht. Trotz der unsicheren Rechtslage floriert der Handel, den Beate Uhse-Rotermund als „Zukunftsinvestition“ versteht: Sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben, will sie ein knappes Dutzend Filialen in der DDR eröffnen.

Silke Langhoff