Die Chorzow-Batory-Connection

■ Westberliner Firma schickte vor einem Jahr giftige Lösemittelreste nach Polen / Jetzt soll sie die Fässer wieder abholen / Grund: Polnische Behörden entdeckten Dioxine in den Industrieabfällen / Hagener Staatsanwälte ermitteln gegen den westfälischen Vermittler des Geschäfts

Seit einem Jahr stehen einige hundert Fässer mit Westberliner Industrieabfällen auf einem Firmengelände im polnischen Gleiwitz - und warten darauf, endlich wieder abgeholt zu werden. Gegen den westfälischen Unternehmer Klaus-Peter Kowalewski, der die Transporte arrangiert hatte, ermittelt mittlerweile die Hagener Staatsanwaltschaft. Grund: In den Fässern, die von der Westberliner Sondermüllfirma Lepkojus stammen, stellten die polnischen Behörden hohe Dioxinkonzentrationen fest. Thomas Schwilling. Leitungsreferent in der Senatsumweltverwaltung sprach gestern von einer „Ungeheuerlichkeit“. Noch im September habe Lepkojus dem Senat versichert, die Stoffe seien „ordnungsgemäß“ aufbereitet worden.

Hintergrund: Im November und Dezember 1988 hatte die Firma Lepkojus zwei- bis dreihundert Fässer mit gebrauchten Lösemitteln zu der polnischen Firma „Prodryn“ transportieren lassen, die nahe Gleiwitz in Chorzow-Batory residiert; eigentlich sollten die Stoffe - etwa 60 Tonnen Perchloräthylen und Methylenchlorid - dort aufbereitet werden.

Die polnischen Behörden legten jedoch von Anfang an Einspruch ein; ihre Umweltchemiker entdeckten schließlich hohe Dioxinkonzentrationen in den Westabfällen. Stimmen ihre Analysen, dann enthalten die Lösemittel bis zu 1.000 ppb (parts per billion/ Milliardstel) des Seveso-Giftes. „Diese giftigen Abfälle unschädlich zu machen“, erklärte Andrej Walewski vom polnischen Umweltministerium jetzt im WDR -Regionalfernsehen, sei für Polen ein „technologisches Problem“. Vor fünf Tagen flatterte der Kowalewski-Firma Kowa -Chemie in Letmathe deshalb ein Brief von Prodryn ins Haus: Kowalewski möge die Fässer wieder abholen.

Lepkojus und Kowalewski sind sich keiner Schuld bewußt. Kowalewski, der die Verträge mit Prodryn geschlossen hatte, lehnte gestern auf taz-Anfrage eine Rücknahme der Fässer ohne Umschweife ab. „Die sollen selbst damit klarkommen“, erklärte der Unternehmer in schöner Offenheit. Schuld an der Misere habe die „polnische Wirtschaft“. Schon im Dezember 1988, nach den ersten Problemen mit den polnischen Behörden, hatte Kowalewski die Kooperation mit seiner Partnerfirma in Chorzow abgebrochen. Ein gutes Geschäft hat er mit dem Polen -Export auf alle Fälle gemacht. Im Gegensatz zu westdeutschen Destillationsfirmen war Prodryn nämlich bereit, der Kowa-Chemie die Berliner Lösemittelreste umsonst abzunehmen; von Lepkojus kassierte der umtriebige Unternehmer dagegen einen branchenüblichen Tarif von 350 Mark pro Tonne.

Kein Wunder, daß auch Lepkojus-Prokurist Martin Konczalla nicht erbaut von der Aussicht ist, die Lösemittel an den Ursprungsort zurückzuholen. „Es fehlen klare Unterlagen aus Polen“, wehrte Konczalla auf taz-Anfrage ab. Ihm liege lediglich eine unbrauchbare Übersetzung eines Briefs vor, den die polnische Firma an die Kowa-Chemie geschickt habe. Von den Schwierigkeiten in Polen hat Lepkojus bisher angeblich nichts gewußt.

Rechtlich gibt es auch nach Ansicht des Warschauer Umweltministeriums „keine Vereinbarung, die die Verkaufsfirmen zwingen könnte, die Abfälle...zurückzunehmen“. Als der Skandal im Dezember nach Westfalen „durchsickerte“ (Kowalewski), nahm die Hagener Staatsanwaltschaft allerdings Ermittlungen auf. Für Oberstaatsanwalt Manfred Rösner ist nun die entscheidende Frage, ob Kowalewski oder Lepkojus „wußten“, welche Gifte in den Lösemitteln enthalten waren.

Auf eine Laboranalyse der Stoffe hatte Lepkojus vor dem Abtransport verzichtet. Das sei aber, versichert Konczalla, völlig normal in der Branche. Folge: Kowalewski und Lepkojus handelten im unschuldigen Zustand des „Tatbestandsirrtums“ und kommen ungeschoren davon.

hmt