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Olympisches Spektakel a la Albertville

■ Die Winterspiele 1992 sollen über das Fernsehen französische Kultur und Wirtschaftskraft transportieren

Frankreichs geschichtsbewußter Staatspräsident Fran?ois Mitterrand hat den Organisatoren der Olympischen Winterspiele (Cojo) von 1992 ein hohes Ziel gesteckt. Schnöde Geldschneiderei im Zeichen der fünf Ringe ist dem Mann im Elysee-Palast zuwider. Er wünscht sich „internationale Harmonie“. Albertville soll außerdem zum „Symbol einer europäischen Renaissance“ werden und den gemeinsamen Binnenmarkt „ermutigen“.

Was der Präsident beredt formuliert wird der Welt zunächst bei der Eröffnungszeremonie am 8. Februar 1992 präsentiert werden. Zumindest bei dieser Gelegenheit wollen die Franzosen mit großer Kelle anrichten. Zum ersten Mal wird die Feier nicht in einem Stadion, sondern in einem „Theater“ stattfinden.

Dafür wird ein provisorischer Bau mit 35.000 Plätzen errichtet, der nach den Spielen wieder abgerissen werden soll. Albertville selbst hat 20.000 Einwohner. Als künstlerischen Leiter des Eröffnungsspektakels, der völlig freie Hand haben wird, hat das Cojo den Filmregisseur Jean -Jacques Annaud im Auge, der mit seinem letzten Streifen Der Bär einen Welterfolg erzielte.

Wohl wissend, daß die Eröffnungsfeier weltweit mehr Zuschauer vor die Fernsehapparate locken wird als die einzelnen Sportereignisse, soll sie „französische Kultur und Tradition“ vermitteln.

Obgleich sich die Gesamtkosten von 3,17 Milliarden Franc (1987) nur auf 3,3 Milliarden (eine Milliarde Mark) erhöht haben, ganz ohne Reibereien laufen die Vorbereitungen für Olympia aber auch in Albertville nicht ab, und - wie so oft

-sind es politische Querelen, die für Aufregung sorgen. In einigen der Olympiaorte sind im Vorjahr neue Bürgermeister gewählt worden, von denen nicht alle mit den Entscheidungen ihrer Vorgänger einverstanden waren. Der Dorfobere von Pralognan etwa, wo die Curling-Wettbewerbe stattfinden, war der Ansicht, die dafür geplante Eisbahn sei einfach zu teuer.

Er stoppte deshalb die Bauarbeiten und verlangte vom Organisationskomitee mehr Geld. Nach einigem Hin und Her wurde ein Kompromiß gefunden, und die Arbeiten konnten weitergehen. Der Vorfall erinnert an die Olympia-Anfangszeit in Albertville, als lokale Eifersüchtelein zwischen den einzelnen Skiorten den Ex-Olympiasieger und Mitorganisator Jean-Claude Killy vorübergehend das Handtuch werfen ließen.

Das wohl schwierigste Problem für Albertville wird die Sicherheit der Sportler und Prominenten sein. Seit mehr als einem Jahr tüftelt eine Expertengruppe unter Leitung von Christian Prouteau, der früher der Antiterroristen-Einheit im Elysee vorstand, an einem Plan zum Schutz der Aktiven und der Gäste aus aller Welt. Das Projekt mit dem Arbeitstitel „Ramses“ verlangt den Planern vor allem wegen der geographischen Besonderheiten des Olympiageländes eine gute Portion Phantasie ab. In der Regel ist die zu schützende Fläche bei Winterspielen nicht größer als einige Dutzend Quadratkilometer. In Albertville mit seinen weit auseinanderliegenden Sportstätten sind es 1.600 Quadratkilometer.

Die zahlreichen Höhenzüge und Täler machen eine Überwachung aus der Luft außerordentlich mühselig. Dennoch wollen die Sicherheitsexperten - ihr Budget ist geheim - nicht mehr als 10.000 Mann einsetzen; bei den letzten Sommerspielen in Seoul waren es 40.000.

Neue Wege gehen die Franzosen bei den Sponsoren. Ganz bewußt wurden nur zwölf große Unternehmen aus zwölf verschiedenen Branchen zugelassen, von denen jedes 60 Millionen Franc berappen muß. Unter den Auserwählten, zusammengeschlossen im „Club Coubertin“, ist mit Computerriese IBM nur eine nichtfranzösische Firma. Zu den elf heimischen Sponsoren zählen die Bahn, die Post, der Autohersteller Renault und die Bank Credit Lyonnais.

Obwohl die Alpen nun schon das dritte Jahr hintereinander bedenklichen Schneemangel sehen, macht man sich in dieser Hinsicht keine Sorgen. Akribisch wurden die Wetteraufzeichnungen der letzten 30 Jahre studiert, ehe der Beschluß für den Terminplan fiel. Laut Pressesprecher Eysseric garantiert die Zeitpanne 8. bis 23. Februar 1992 „am meisten Schnee und am meisten Sonne“. Sein Wort in des Wettergottes Ohr.

Arno Mayer

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