Rätselhafter Tod in Stammheim

Im 7. Stock des Stammheimer Gefängnisses nahm sich ein Gefangener das Leben / Geheimniskrämerei der Behörden / Staatsanwaltschaft verweigert Angaben  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - In der Nacht vom 10. auf den 11. Januar hat sich im berüchtigten Isolationstrakt des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim ein 30jähriger Gefangener in seiner Zelle das Leben genommen. Er soll sich die Pulsadern aufgeschnitten haben. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft und der Stammheimer Anstaltsleiter bestätigten den Selbstmord, verweigerten aber im gleichen Atemzug nähere Angaben.

Die dürftigen Fakten, die Behördensprecher Krombacher preisgab: Es habe sich um einen Gefangenen gehandelt, der im letzten Jahr wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer 13jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Zu den möglichen Motiven der Selbsttötung formulierte er vage, daß der Tote „im Zusammenhang mit Raubüberfällen vor Gericht Aussagen gemacht“ hätte und sich anschließend von „Jugoslawen“ bedroht gefühlt habe. Einen Zusammenhang zu terroristischen Straftaten - der siebte Stock in Stammheim war in den letzten Jahren überwiegend mit Gefangenen aus der RAF belegt - gebe es nicht, der Verurteilte sei dem Bereich der „Allgemeinkriminalität“ zuzurechnen.

Von den Behörden wurde ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion durchgeführt. Eine toxikologische Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Bis zum Ende des Ermittlungsverfahrens in etwa vier bis fünf Wochen will die Staatsanwaltschaft keine Angaben machen weder zu Fragen der Unterbringung des Häftlings im Hochsicherheitstrakt noch zur Frage, wie lange der Gefangene in Stammheim einsaß. Offen bleibt auch, wie sich ein Gefangener in der „sichersten“ Haftanstalt in der Bundesrepublik bedroht fühlen konnte.

Der Justizvollzugsbeauftragten der Grünen in Baden -Württemberg, Rose Glaser, wurden Auskünfte ebenso verweigert wie der taz. Von einem Gefangenen, den die Landtagsabgeordnete in Stammheim betreut, erfuhr Frau Glaser eher zufällig, daß er auf dem Rückweg vom Hofgang am 11. Januar beobachtete, wie drei Vollzugsbeamte und eine Person in Zivil aus einer Nachbarzelle eine blutdurchtränkte Matratze trugen. Wie andere Gefangene auf der Etage auch, hatte er den Zellenbewohner zuvor nie zu Gesicht bekommen oder seinen Name erfahren.

Auf Nachfragen der Justizvollzugsbeauftragten verweigerte der Stammheimer Anstaltsleiter Hermann jegliche Information. Telefonisch sage er gar nichts, und er sei nicht bereit, jemandem Auskunft zu geben, der Glaser heiße. In einem Beschwerdebrief an den baden-württembergischen Justizminister forderte Rose Glaser schon am 22.Januar Aufklärung über den mysteriösen Todesfall. Der Brief ist bisher unbeantwortet, und die Staatsanwaltschaft beharrt weiterhin auf ihrem Schweigen: „Wir geben keine weiteren Auskünfte.“