Riddims fi ah betta sosiati

■ Linton Kwesi Johnson und Jean Binta Breeze musik-agitierten im Modernes

Es begann urplötzlich mit einem markerschütternden Tarzan -Schrei aus Dennis Bovells Kehle - im vollen Modernes drängelte sich ein alters- und szene-mäßig buntgemischtes Völkchen, um den Großmeister der Dub-Poetry zu feiern. Doch der ließ erstmal seine alten Kompagnons von der Dennis Bovell Dub Band schaffen, mit einem scharf abgemischten Sound, Hall- und Echo-Effekten und vom Synthesizer imitierten Bläsersätzen. Kurz bevor die recht alltäglichen Reggae-Riddims langweilten, kam „Sister“ Jean Binta Breeze auf die Bühne.

Was die junge Sängerin aus Jamaica zu sagen bzw. zu singen hatte, ließ aufhorchen. Ihre Songs bestehen nicht aus der einfachen Wiederholung vorherrschender Formen, sondern sind in Artikulation, im Wechsel von Sprechgesang und Singen und in der Rhythmusführung eigenwillig und eigenständig. Auch ihre Themen heben sich aus dem Chor der meisten anderen Reggae-Interpretinnen heraus. In ihren Texten profilierte sie sich als Vertreterin einer neuen Generation von jungen, selbstbewußten schwarzen

Frauen, deren politisches Engagement sich zwar in den Kampf um Gleichberechtigung einordnet, dabei aber die weibliche Sicht betont, auch die Widersprüche zum schwarzen Machismo artikuliert.

Dabei wird die schwarze Frau nicht ausschließlich als Opfer auf der untersten Stufe der Unterdrückung gesehen, sondern ebenso als Subjekt der eigenen Befreiung, beispielsweise in ihrem Song über „Nanny of the maroons“, in dem sie einer Führerin der Sklaven im Kampf gegen die britischen Kolonialherren auf Jamaica huldigt. (Maroons werden die entflohenen Sklaven genannt, die im letzten Jahrhundert auf Jamaica selbständige Gemeinschaften im unzugänglichen Gebirge bildeten und durch bewaffnete Kämpfe ihre faktische Unabhängigkeit durchsetzen konnten.) In Jamaica hatte sie 1985 mit ihrem Song „Get Back“ für Aufsehen gesorgt, in dem sie eine scharfe Kritik an den sexistischen Texten vieler Reggae-DJ's formulierte. Neben den Aussagen ihrer Songs, teilweise in Creole vorgetragen, überzeugte sie auch durch eine

ungemein sympathische Ausstrahlung, die die Urbotschaft des Reggae, „postive vibrations“ auszulösen, Wirklichkeit werden ließ. Yo!

Der Meister selber mußte demgegenüber, zumindest für alle, die ihn schon länger kennen, enttäuschen. Wie schon bei seinem Auftritt im Mai '88, bot er das alte Songmaterial, diesmal musikalisch etwas aufgefrischt, mit meist schnellerem und hämmernderem Rhythmus als früher, ohrenscheinliche Reminiszenz an die Hip Hop-Generation. So richtig es ist, daß viele seiner Poems nach wie vor Aktualität besitzen, bzw. neue Aktualität gewonnen haben in seinen Ankündigungen stellte er immer wieder einen Zusammenhang zu Osteuropa her -, so unbefriedigend ist es, wenn ein so scharfzüngiger Analytiker und Poet seit 1984 nichts Neues mehr zu sagen hat. Für die Jüngeren im Publikum kein Problem, für viele Ältere anscheinend auch nicht, denn das Publikum feierte den Dub-Poeten begeistert, (der auch diesmal in kariertem Jacket und mit ebensolchem Ska-Hütchen auftrat). Farin