Ohne Aggros keine Quoten

■ „Weibliche Lebensentwürfe - und wo ist die Aggression?“ / Vortrag von Hilke Volker in der Villa Ichon

In der Edelvilla „Ichon“ führte Hilke Volker das Publikum am Mittwochabend in die Tiefe weiblicher Triebwünsche hinab. Als Psychoanalytikerin stellt sie sich nämlich die Frage: „Was tragen Frauen selbst dazu bei, daß ihr Geschlecht fast bis zur Unsichtbarkeit entwertet und verdrängt wird? Warum widersetzen Frauen sich nicht einer Kultur, die ihre Leistungen ausradiert?“ Ihre Antwort führte zum Gegenstand der selbstkritischen Diskussion der Zuhörerinnenschaft: der Aggression.

Positiv definiert von Hilke Volker, hergeleitet aus dem Latein im Sinne von gestaltendem Vorangehen: Angreifen ist Aggression konstruktiv. Obwohl jede, auch die alternative Karriere solche Aggression erfordert, jeder Zwist um Kinder -Zu

ständigkeit und Eigenleben ohne aggressives Beharrungsvermögen nicht durchzustehen ist, keine Konkurrenzstellung zur Kollegin ohne den Willen zu siegen und Nilpferdhaut Erfolg haben kann, weichen Frauen aus, geben nach, lassen sich aushebeln. „Frauen planen ihre Karriere nicht, halten sich raus aus dem Quotierungsgetümmel, delegieren Führung an den Mann und sind selten bereit, Verantwortung verbindlich zu übernehmen.“

Das Publikum konnte Varianten auftischen. Eine traut sich nicht, die andere massiv anzugehen in ihrer grünen Frauengruppe. „Die grünen Männer nehmen sich in Auseinandersetzungen ernster.“ Eine Frage macht sehr nachdenklich: „Fußball, Gebrüll und Knockout bis hin zum Krieg ist okay in der

Männergesellschaft, aber wo gibt es für Frauen Räume, wo aggressives Verhalten gepflegt und abgeschaut werden kann?“ Da fällt allen nur die Familie ein, wo Mutter das Kind „anbrüllen darf, bis zum Anschlag.“ Aber auch zuhause „verstehe ich immer viel lieber alles, als Wut zu fühlen.

Dazu kommt, daß Männer die Idealisierung der friedfertigen, verstehenden Frau immer gerne mitgemacht haben, „weil irgendwer mußdoch für das Gute zuständig sein in dieser bösen Welt.“ Eine erzählt von ihrer Ältesten, die nach ihr tritt und sofort Verständnis dafür verlangt.

Alles dreht sich dann um unsere arme gebeutelte, unterdrückte Aggression. Hilke Volker deutet deren beharrliche Verdrängung als Preis für die Trennung des kleinen Mädchens von

seiner Mutter, die ihm ungleich schwerer fällt als dem Bruder. Denn während dieser sich leicht von der Mutter löst, indem er sich mit dem stark erscheinenden Vater identifiziert, hat das Mädchen in der modernen Kleinfamilie meist kein weibliches Vorbild. „Der Junge kann seine destruktiven Impulse auf den Vater richten. Die Lösung aus der Haßliebe zur mächtigen Mutter durch Fixierung auf den Vater stärkt seine Autonomie.“

Das Mädchen bleibt lange in der starken Spannung zur gleichermaßen gehaßten, wie geliebten Mutter gefangen und kann schwer Selbstständigkeit un Bestätigung erleben. Es verdrängt schließlich seinen Mutterhaß, unterwirft sich und schickt sich darein, zu werden wie die Mutter, deren Rolle bereits gesellschaftlich und kulturell entwertet ist.

Doch der Haß hat damit nicht ausgespukt, sondern begleitet das kleine Mädchen durch's ganze Leben als Auto-Aggression, als Schuldgefühl, als Bereitschaft, sich aufzugeben und zu unterwerfen, aber den/die andere stets zu verstehen. Seine Laufbahn ist geprägt von dem Versuch, die gegen die Mutter gerichtete Aggression abzuwehren. Beim Schwangerschaftsabbruch kocht die Chose wieder hoch. dies tun. Die Frauen „zeugen durch ihre Bereitschaft zur Abtreibung von ihrem Ag

gressionspotential.“

Die gebrochene Identität aus der präödipalen Phase begleitet das Mädchen in der Frau durch die Anforderungen in Beruf und Partnerschaft. Es strampelt sich ab und hat trotzdem keinen inneren Halt.

Dieser psychoanalytische Hintergrund „verständnisvoller Nachgiebigkeit“ überzeugte das Publikum und machte nachdenklich. Die drei Stunden vergingen im Flug. Schwer fiel es den Frauen allerdings, die patriarchale böse Welt einmal außen vor zu lassen. Hilke Volker wollte die Frau als aktive Selbst-Blockiererin denken. Das ist nun mal Psycho -Anna-Lyse... gür