Ums Karree

■ ...ÜBER DEN TOD HINAUS...

„Monk flies over Rock“ ist die posthume Ausstellung Wayne Springers in der Galerei Arndtstraße überschrieben. Während einiger Lehraufenthalte in Japan hatte der gebürtige Kanadier sich intensiv mit Zen beschäftigt. Disziplinierte Klarheit des Geistes findet sich so im zweiten Raum der Galerie. Doch wie um den Betrachter behutsam einzuführen, hängen im ersten die Arbeiten, die mit - wenn auch nicht herkömmlichen so doch vertrauten Mitteln nach Japan führen.

Manche Bilder bringen einen dahin, sich als etwas Vergangenes zu erkennen; nicht in der Art von Fotos, die als Feststellung Vergangenheit nur vernichten können, sondern als wäre man selber in seinem Kopf in einer Vergangenheit, die sich nur langsam zur Gegenwart entwickelt. Ein seltsames Gefühl eher von Sehnsucht als von Melancholie. Vielleicht hat es etwas mit dem Tod von Wayne Springer (1988) zu tun. Alte Freunde organisierten die Ausstellung. Andere, die Guitar Monkeys lärmten zur Eröffnung. Dieses Gefühl liegt als Atmosphäre jedoch auch in den Bildern; und diese Atmosphäre entsteht durch eine bestimmte Technik: Auf die Acrylgrundierung ist eine flüssige Fotoschicht aufgetragen, die dann lange belichtet wird. Allen so entstandenen Bildern hat Wayne Springer einen Tintenrand gegeben; bei einigen hat er mit Gold oder Dispersion drübergemalt, daß nur in der Mitte vielleicht ein „Zhejiang Provincial Mueum, Hangchow“, das heißt zwei spielende Delphine im Blau alter Filme übrigbleiben. Manchmal steht da nur jemand als Schatten auf einem Floß; irgendwo spiegeln sich Lichter im Wasser, matt, dann verwischt, dann wieder Wasser oder Nacht.

Auf anderen Bildern finden sich die zarten, doch energisch kalten Orangetöne einer Morgendämmerung, der man in sehnsüchtiger Klarheit begegnet, um endlich all das zu tun und zu sein, was man immer wollte. Zwischen Felsen, die dunkel grünlich dort stehen, weil sie dorthin gehören; zwischen Sträuchern, die sich schwarz im Wasser wiederholen.

Als Fotos wären diese Bilder vielleicht kitschig. So jedoch ungerahmt, an schwarzen Leisten aufgehängt, als faltenwerfender Stoff, auf dem immer auch noch einige Grundierungspinselstriche zu sehen sind, wirken sie, als hätten sie sehr lange den Dingen zugeschaut, die sie abbilden.

Ist die Oberfläche des Geistes glatt, kann der Maler beginnen, ganz schwarz auf Japanpapier, nicht von sich und unabhängig von den konkreten Dingen zu erzählen. „Monk flies over Rock“ ist eine Arbeit im zweiten Raum unterschrieben. Scheinbar gegenstandslose Tintenflecke, Verwischungen, Graphitzeichnungen verwandeln sich auf der dem europäischen Menschen eigenen Suche nach Bedeutung, zu sowohl ambivalent abstrakten als auch gegenständlich lesbaren Zeichen. Es ist einfach das, was Wayne Springer aus dem Nichts gemacht hat. Auf seinem „Imperial Way“, auf seinem „Express Way“. Der über einen Stein stolpernde Mönch ist im Zen immer auch der, der über einen Stein stolpernd zur Erleuchtung kommt. Mag er danach fliegen.

Wo man mitteilen möchte, bleibt einem eigentlich nur das Schweigen. Einer der wichtigsten Zengrundsätze besteht darin, die Abhängigkeit von Buchstaben und Wörtern zu brechen. Oder: „Über Geschmack mag man sich endlos streiten / Doch hier ist's schöner als bei mir zu Hause.“ (Han Shan)