„...dann können die sofort anfangen“

■ Kooperation mit der DDR über den Einsatz arbeitsloser West-Mediziner jetzt unter Dach und Fach / Die Berufskollegen in Ost-Berlin entscheiden über die Einstellung mit / Interview mit dem Westberliner Ärztekammerpräsidenten Ellis Huber

Arbeitslose Mediziner aus West-Berlin können in Zukunft in begrenztem Umfang in Ost-Berlin und der DDR arbeiten. Die Ärztekammer Berlin hat einen Kooperationsvertrag mit der DDR abgeschlossen, demzufolge 100 arbeitslose West-Ärzte im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme in DDR-Krankenhäusern arbeiten können. Träger der Maßnahme ist die Ärztekammer, gefördert wird das Projekt drei Jahre lang durch das Land Berlin. Die taz sprach mit dem Präsidenten der Ärztekammer Ellis Huber über das Projekt.

taz: Wie werden die Ärzte ausgesucht, und wer entscheidet über ihre Einstellung?

Ellis Huber: 20 Ärzte haben bereits ihre Arbeit aufgenommen, und uns sind ungefähr 80 bekannt, die direkte Vorverträge mit einzelnen Krankenhäusern über eine Ausbildung zum Facharzt abgeschlossen haben. Die Krankenhäuser und ihre Belegschaften entscheiden selbst, wen sie haben wollen und ob sie jemanden haben wollen. Nach diesem Muster haben sich sehr viele Kollegen drüben an allen möglichen Stellen beworben. Wenn die betreffenden Kollegen sagen, ja, den können wir brauchen, stimmt der zuständige Bezirksarzt zu und dann können die in der Regel sofort anfangen zu arbeiten.

Das ist also ein ganz normales Bewerbungsverfahren wie bei uns auch?

Ja, das war ein ganz wichtiger Durchbruch. Wir konnten die Ängste der Ärzte dadurch abbauen, daß die Entscheidungsgewalt nicht mehr bei der staatlichen Administration liegt, sondern bei den künftigen Kollegen.

Wie groß war die Nachfrage nach diesem Angebot?

Wir hatten 1.500 Anfragen, und davon etwa 800 aus West -Berlin, der Rest aus der Bundesrepublik.

Wieviele arbeitslose Ärzte sind derzeit in Berlin registriert?

Wir haben zur Zeit 865 als arbeitslos gemeldet, es gibt aber ein paar mehr, die ohne Arbeit sind. Aber es gibt auch Kollegen, die sich drüben gezielt fachärztlich weiterbilden wollen, das heißt, denen fehlen bestimmte Weiterbildungsqualifikationen, für die es hier keine Plätze mehr gibt. Es gibt auch Leute, die drüben arbeiten wollen, weil sie eine bestimmte politische Motivation haben.

War es schwierig, diese Kooperation mit der DDR unter Dach und Fach zu bringen?

Ja, es war sehr schwierig, die Kollegen drüben zu überzeugen, daß das ein sinnvoller Träger einer langfristigen und verläßlichen Kooperation ist. Wir haben viele Gespräche geführt mit Ärzten in den Kammern. Von seiten der staatlichen Administration gab es kaum Hindernisse.

Wie ist die Bezahlung geregelt?

Es war von vorneherein klar, daß die Kollegen drüben an den Krankenhäusern genau die gleichen Verträge erhalten wie die DDR-Ärzte. Die DDR ist bereit zuzulassen, daß die dann hier einen Nachteilsausgleich erhalten. Der Senat hat dafür im Haushalt 90 rund 1,14 Millionen Mark bereitgestellt, und die Maßnahme soll zunächst über drei Jahre laufen. Die Senatsverwaltung für Arbeit regelt die Bewilligung und Bezahlung der Beihilfen. Je nach Familienstand beträgt die Qualifizierungsbeihilfe monatlich bis zu 925 Mark bei Ledigen und bis zu 1.130 Mark bei Verheirateten. Für mich ist das eine ganz konkrete Investitionsmaßnahme in eine gemeinsame Zukunft in etwa vier bis fünf Jahren, wenn wir dann gemeinsame Fortbildungs- und Forschungsprogramme veranstalten.

Können die westlichen Ärtze denn drüben etwas lernen?

Die ärztlichen Fähigkeiten von Ärzten drüben bestehen vor allem in Fähigkeiten, die unsere Ärzte verlernt haben, zum Beispiel in Diagnostik ohne Geräte, Therapie ohne unseren riesigen Pharmamarkt. Es gibt dort ganz andere Handlungs und Denkstrukturen - trotz der nicht zu leugnenden Armutskrise im Gesundheitswesen - von denen wir viel lernen können.

Interview: Kordula Doerfler