Fußtritt statt Handschlag

Zur drohenden Ausweisung von Polen aus Berlin  ■ K O M M E N T A R

Er hat wahrlich keine glückliche Hand mit seinen Flüchtlingsweisungen, der Innensenator Erich Pätzold. Die erste - als „Magna Charta“ für Flüchtlinge aus Dritte-Welt -Ländern gefeiert - wurde von der Ausländerbehörde nach Gutdünken sabotiert und zerpflückt. Aus dem Schaden offenbar nicht klug geworden, hat man der Ausländerbehörde nun eine zweite, unpräzise Vorgabe auf den Tisch gelegt. Leidtragende sind dieses Mal polnische Staatsbürger, deren Denunzierung als lästige Wirtschaftsflüchtlinge damit ihren Höhepunkt gefunden hat. So lange ist es noch nicht her, da wurden sie mit einem „Herzlich Willkommen“ auf Senatsflugblättern begrüßt. Noch 1987, als die Innenminister der Länder erstmals beschlossen, abgelehnte Asylantragsteller aus Polen wieder abzuschieben, beschloß der Berliner Senat, ihnen stattdessen eine Duldung zu geben - weil Berlin „ein arbeits - und bevölkerungspolitisches Interesse an einer Polenzuwanderung hat“, hieß es damals. Die offizielle Geste des Handschlags ist dem Fußtritt gewichen. Die Politik des Rausschmisses erscheint um so zynischer angesichts des vor zwei Tagen geschlossenen Abkommens zwischen Bonn und Warschau. Das Kontingent polnischer Arbeitskräfte, die zeitlich begrenzt in der BRD legal arbeiten dürfen, wird aufgestockt. Was im neuen Entwurf des Ausländergesetzes unter dem Stichwort „Rotation“ Kritik und Empörung ausgelöst hat, wird somit Praxis, bevor über das Gesetz überhaupt abgestimmt worden ist. Andererseits droht einigen tausend Polen in Berlin, für die nun kein „arbeitspolitisches Interesse“ mehr besteht, die Ausweisung. Von denen leben viele seit Jahren hier, haben ihre Kinder eingeschult, Deutsch gelernt und versuchen, sich zu integrieren, so gut Arbeitsamt und Ausländerbehörde das eben zulassen. In Polen erwartet sie nichts weiter als ein Land kurz vor dem Zusammenbruch, das ihnen aller Voraussicht nach weder Wohnung noch Arbeit bieten kann. Bislang ist dem Senat nicht viel mehr eingefallen, als die Schuld bei den Innenministern zu suchen - für eine rot-grüne Landesregierung ein Armutszeugnis.

Andrea Böhm