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Der Chauvinist als Zappelphilip

■ Pedro Almodovar, der Regisseur von „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruch“ entpuppt sich in „Fessle mich“ leider doch als Macho

Großaufnahme unter Wasser. Ein kleiner Playmobil-Taucher mit winzigen wedelnden Schwimmflossen müht sich vorwärts. Da, ein Ungetüm, nein zwei, rechts eins und links eins. Von wegen, es sind zwei Frauenbeine. Jetzt die Szene von oben: Marina liegt in der Badewanne, das Plastikmännchen zappelt Richtung Schoß, nun ist es angelangt am Ort der Begierde, verfängt sich in den Schamhaaren, schubst noch ein bißchen, eifrig, aber vergeblich. Weiter kommt es nicht. Marina lächelt amüsiert, nimmt den strampelnden Spielzeugtaucher und legt ihn zwischen ihre Brüste. Nun zappelt er wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Seit ich Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs sah, hielt ich Pedro Almodovar für einen Mann, der weiß, daß die Frauen das überlegene Geschlecht sind. Der weiß, daß sie nicht bloß aufregender aussehen, sondern es tatsächlich sind: schneller, gewitzter, verschlagener. Und die Männer gucken dumm aus der Wäsche, hilflos, harmlos und impotent. Aber ich habe mich geirrt: Die Szene mit dem Plastikmännchen dauert nur eine Minute.

Marina ist Filmschauspielerin. Ihr Regisseur sitzt im Rollstuhl, Marina findet er sexy - sie trägt kein Höschen und ihre Schwester Lola auch. Manchmal guckt er sich Pornos an (mit stöhnender Marina), aber meistens dreht er sich hilflos quietschend samt Gefährt um sich selbst.

Ricky ist Psychopath, frisch aus der Anstalt entlassen. Jetzt will er ein normales Mitglied der Gesellschaft werden, will heiraten und Familie gründen. Also entführt er Marina, die einzige Frau, die er kennt. Er hat 50.000 Peseten und verspricht, ihr ein guter Ehemann und Vater zu sein. Aber sie will nicht. Also muß er sie knebeln und fesseln, so leid es ihm tut. Sie wird ihn schon lieben, wenn sie ihn erst kennengelernt hat. Und so geschieht es. Als Ricky von einer Schlägerei blutüberströmt nach Hause kommt, packt sie das Mitleid. Schließlich sind wir im katholischen Spanien, und schon im Vorspann durften wird uns an den Kitschbildern vom lieben Herrn Jesus mit den zahlreichen Wundmalen und vom blutroten Herzen der Mutter Maria ergötzen. Ficken kann Ricky zum Glück richtig gut (Almodovar filmt das mit Vorliebe von oben), folgen Landidyll und Familienglück, und Morricones softe Computermusik lullt uns noch beim Abspann ein. Das sind die restlichen 100 Minuten.

Dabei hatte es gar nicht so schlecht begonnen. Mit den für Almodovar typischen schrillen Farben, bonbonrosa, orange und himmelblau, mit viel Fummel und Gewusel im Filmstudio, grotesken Kulissen, Kitsch und Plunder und hektischen Schnitten. Aber Fessle mich ist keine Soap Opera. Sie sieht nur so aus.

Almodovar liebt es, die Frauen beim Pinkeln zu filmen, das sieht so schön sexy aus. Er liebt auch seinen letzten Film: Alle Frauen vom „Rande des Nervenzusammenbruchs“ tauchen auch diesmal wieder auf, die Schöne, die Hysterische, die Geheimnisvolle - in Nebenrollen. Und er liebt die Aufsichten auf die Bettstatt mit der Gefesselten - so hilflos und schutzbedürftig, da muß doch ein Mann her.

Die knisternde bonbonbunte Verpackung gilt diesmal der klassischen Männerphantasie: Frauen brauchen Machos. Daß die Männer recht eigentlich gar keine sind, sondern in der Tat nichts weiter als fürsorgliche Gatten (wie Ricky), impotente Greise ( wie der Regisseur), Hampelmänner und Zappelphilips, dieser Komplikation im Geschlechterkampf hat Almodovar sich nicht gestellt. Er ahnt es vielleicht - deshalb der Rollstuhl -, schlägt aber die falsche Volte. Weil er weiß, daß wir Frauen das mit den Machos nicht mehr so gerne hören, hat er sich als Feminist verkleidet. Aber mit dem bißchen kritische Selbstreflexion - der Rollstuhl-Regisseur hadert mit seinem Film: „Das ist kein Horrorfilm, eher eine Liebesgeschichte“. „Der Film hat keinen Schluß. Der Regisseur kämpft mit dem Tod“ - kann er uns nicht täuschen: Almodovar kann Pornos filmen und Werbespots, sonst nichts. Im Kino zappelt jedes seiner Bilder hilflos auf der Leinwand wie das Plastikmännchen zwischen Marinas Brüsten.

A propos Werbespots: Kurz bevor die beiden sich kriegen, gucken sie Fernsehen. Der Werbespot erzählt, warum deutsche Rentner sich an Spaniens Küsten amüsieren, wohingegen spanische Rentner am Metro-Eingang betteln müssen. Sie hätten sich besser Danny deVitos Rosenkrieg ansehen sollen. Dann wüßten sie, wie die Ehe endet. Garantiert tödlich.

Christiane Peitz

Pedro Almodovar: Fessle mich, mit Victoria Abril, Atonio Banderas, Spanien 1989, 101 Min.

12.2. Urania 18.30, Kosmos 22.30

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