„Keine Notstandsbewältigung“

Der Präsident des Städtetages Manfred Rommel (CDU) zum anhaltenden Zustrom von Übersiedlern aus der DDR  ■ I N T E R V I E W

taz: Sie haben im Städtetag eine sich zuspitzende Situation für die Kommunen angesprochen, die durch den weiteren Zustrom von Aus- und Übersiedlern entsteht.

Manfred Rommel: Es liegt sicher nicht im Interesse der DDR, nicht in dem der Bundesrepublik und schon gar nicht im dem der Betroffenen, wenn die Wiedervereinigung in der Bundesrepublik stattfindet. Nun haben viele Kommunen das Problem, daß die Übergangseinrichtungen immer spärlicher werden. Nicht zu vergessen, daß der Gesetzesapparat der Bundesrepublik der eines Wohlstandslandes ist - und nicht der eines Notstandslandes. Unsere Gesetze sind auf die Bewältigung eines Notstandes nicht eingerichtet.

Was halten Sie den von Lafontaines Vorschlag, die Übersiedler wie Bundesbürger zu behandeln, die sich erst eine Wohnung suchen müssen, bevor sie sich niederlassen können?

Ich bin im Prinzip dieser Meinung auch. Wir können nicht mehr diejenigen, die hier herkommen, so behandeln, als seien sie vor dem Stalinismus und den Nachfolgeideologien geflohen. In den osteuropäischen Ländern herrschen andere Verhältnisse. Die Freiheit wird nicht mehr beeinträchtigt. Das ist mehr ein wirtschaftliches Problem. Und deshalb ist es sicherlich richtig, den ganzen Leistungskatalog im Rahmen des Grundgesetzes darauf zu überprüfen, ob diese Leistungen heute noch angemessen sind. Man hat darüber bislang wenig gesprochen, wobei ein maßgeblicher Gesichtspunkt schon der war, daß unter Umständen eine solche Diskussion von vielen als Signal mißverstanden wird, jetzt schnell noch rüberzukommen aus der DDR. Aber die Diskussion ist jetzt in aller Munde. Deshalb haben wir gestern im Städtetag diesen Problemkreis angesprochen. Man muß sich darüber im klaren sein, daß mit der Zeit das Wasser über den Rand des Kahns laufen kann.

Interview: Barbara Geier