„Kondition gegen die Konditionierung“

Zum erstenmal nach zehn Jahren besetzten AKW-Gegner aus dem Wendland wieder einen Bauplatz / Mit Schlafsack und Zelt sollen AKW-Gegner aus Ost- und West nach Gorleben kommen / DDR-Bürger haben bereits eine einstweilige Verfügung beantragt  ■  Von Jürgen Voges

Gorleben (taz) - Der Bauplatz der Pilotkonditionierungsanlage Gorleben ist seit gestern besetzt. In dem Waldstück direkt hinter dem Gorlebener Zwischenlager weht die Fahne der „Republik Freies Wendland“, Transparente zwischen den Bäumen verlangen „Kondition gegen die Konditionierung“, und gestern mittag wurde auf dem PKA -Gelände auch schon fleißig gebaut: Vier Holzhütten hatten die hundert AKW-Gegner aus dem Wendland bereits zusammengezimmert, die morgens um fünf Uhr mit Zelten, Schlafsäcken, Werkzeug und Proviant in den Kiefernwald am Zwischenlager gezogen waren und als erstes die Waldwege ringsum mit Baumstämmen abgesperrt hatten.

Mit dem Ruf: „Laßt uns nicht alleine!“ forderte die BI gestern über eine Telefonkette Anti-AKW-Gruppen aus dem ganzen Bundesgebiet auf, sich schleunigst an der Besetzung zu beteiligen. „Auch Teilnehmer West und Ost der Demonstration am Samstag sollten möglichst gleich Schlafsäcke und Zelte mitbringen und über das Wochende hinaus hierbleiben“, sagte ein BI-Sprecher.

Von den AKW-Gegnern, die sich gestern mittag zur Lagebesprechung auf Strohballen um ein Feuer hockten, hat ein Großteil schon an der letzten großen Besetzung im Wendland teilgenommen. Gestern bezog die Polizei nur an den zum PKA-Gelände führenden Waldwegen mit einigen Fahrzeugen Posten und beobachtete ansonsten die Besetzer vom dem Erdwall des Zwischenlagers herab, der dessen festungsartige Absperranlagen vor Blicken schützt.

Auf der Lagebesprechung war gestern die Freude darüber groß, daß man „mit der Besetzung schneller war als die DWK“, die Erbauerin der PKA. Auch mit einer schnellen Räumung rechneten die Besetzer gestern nicht. Die DWK hatte am Morgen noch einmal mitgeteilt, daß sie vor einem Baubeginn die am Mittwoch erteilte erste Errichtungsgenehmigung für die PKA noch juristisch prüfen wolle. Ihre Klagen gegen die Genehmigung hält die BI immer noch für aussichtsreich. Der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann bezeichnete die PKA-Genehmiung gestern in Gorleben als „auch nach den Maßstäben des Umweltministeriums in Hannover äußerst schlampig“. Beantragt habe die DWK eine Pilotanlage zur Erforschung und Entwicklung von Konditionierungstechniken, genehmigt habe das Ministerium jedoch eine industrielle Anlage, die auch als Entsorgungsnachweis dienen solle. So werde etwa die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung damit begründet, daß die BRD sich zur Rücknahme von Atommüll aus der Wiederaufarbeitung aus Frankreich verpflichtet habe.

Für eine Reihe von DDR Bürgern hat der Berliner Rechtsanwalt Reiner Geulen bereits eine einstweilige Anordnung gegen den Sofortvollzug der Genehmigung beantragt. Auf jeden Fall soll die Besetzung des Bauplatzes solange dauern, bis das Oberverwaltungsgericht Lüneburg über die Eilanträge gegen die Genehmigung entschieden hat.