„Hauptsache, man hat keinen Bock auf Stoff“

Johannes Z. (29), seit 1974 drogenabhängig, über die formalen Hindernisse einer Teilnahme am Hamburger Programm  ■ I N T E R V I E W

taz: Johannes, was hat sich für Dich verändert, seit Du am Methadon-Programm teilnimmst?

Johannes Z.: Für mich ist es ein Stück bergauf gegangen, obwohl die Zukunft immer noch nicht rosig aussieht. Irgendwie fühl ich mich clean. Nicht nur die Entzugserscheinungen haben nachgelassen, auch der Bock auf den Stoff ist weg. Das ist ein irrsinniger Unterschied. Ich hab inzwischen Kontakt gefunden zu Leuten, die nix mit Drogen zu tun haben. Auch habe ich verschiedene Jobs angefangen. Meine finanzielle Lage ist aber nach wie vor miserabel; von den 50.000 Mark Schulden werde ich als Sozialhilfeempfänger nie runterkommen.

Wie lief das mit den formalen Hindernissen, an Methadon heranzukommen?

Das ist in Hamburg beschissen geregelt. Eigentlich müßte jeder ins Programm aufgenommen werden, der süchtig ist und rein will - ohne große Hürden. Da ich HIV-positiv bin, habe ich mich an eine Aids-Beratungsstelle und später an die Drogeneinrichtung „Palette“ gewandt. Die haben mir geholfen, einen Lebenslauf zu schreiben, meine bisherigen Therapie -Mißerfolge zu bestätigen und überhaupt den ganzen Papierkrieg zu erledigen. Jemand, der voll auf Heroin ist, kann das gar nicht alles zusammenbringen.

Bedingung für die Teilnahme am Programm ist ja eine längere Drogenkarriere...

Ich bin seit 1974 drogenabhängig, hab zwei stationäre Therapien abgebrochen und danach 'ne Zeit in Amsterdam gelebt. Ursprünglich wollte ich dort einen Coffee-Shop (heißen in Amsterdam die Cafes, in denen legal Marihuana in kleinen Mengen vertrieben werden darf, d.Red.) aufmachen. Ich war ziemlich am Abrutschen. Hab dort problemlos Methadon gekriegt, wenn der Vergabe-Bus vorbeikam. Ich hab nebenher gekokst und nur von illegalen „Dingern“ gelebt. Da haben sie mich eines Tages abgegriffen, als ich gerade sechs Personalausweise verkaufen wollte. Als ich dann in die BRD abgeschoben wurde, ging es gleich in den Knast, weil ich vor Jahren die Bewährungsauflagen nicht erfüllt hatte. Da war ich als HIV-Positiver ziemlich isoliert und erbärmlich auf Entzug.

In Hamburg entscheidet die Sachverständigenkommission der Ärztekammer im Einzelfall, für wen Methadon als vorläufig letzte Station einer Odyssee durch verschiedene Therapiemaßnahmen in Frage kommt. Wie lange hat es bei Dir gedauert?

Auf die Zulassung zum Methadon-Programm mußte ich vier Monate warten. Ich war vorher Remedacen-Patient gewesen, hatte also einen Arzt gefunden. Normalerweise dauert es unheimlich lange, bis man einen Arzt findet, der das mitmacht. Seit einem Jahr hole ich mir täglich meine Dosis aus der Apotheke - zehn Milliliter Polamidon, also Methadon, statt früher ein Gramm Heroin. So habe ich keinen Streß, wo der nächste Stoff herkommen soll. Allerdings sollten sie für die, die länger dabei sind, die Bedingungen lockern, daß man nicht jeden Tag hin muß.

Wie schätzt Du den Stellenwert psychosozialer Betreuung ein?

Das muß jeder selbst entscheiden können. Aber ich denke, fünf Stunden die Woche sind Minimum, auch wegen der Rückfälle. Als Hamburg letztes Jahr mit Koks überschwemmt wurde, hab ich einen Rückfall gebaut, 'n richtigen Flash gehabt. Wichtig ist, daß man nicht gleich aus dem Programm ausgeschlossen wird. Es bleiben auch so genug Probleme. Ich wohne seit einem Jahr in einem Männerwohnheim. Da will ich unbedingt raus, in eine WG ziehen. Allerdings schrecken die Leute erst mal zurück, wenn sie HIV-positiv hören...

Als Ziel der Vergabe von Ersatzsuchtmitteln wird oft propagiert, der Süchtige könne eines Tages ohne Drogen auskommen.

Ich hab versucht, die Dosis auf acht Milliliter herunterzuschrauben - Nicht zuletzt, weil bei mir verschiedene Schmerzmittel nicht mehr angeschlagen haben. Aber es geht mir nicht gut dabei. Ob ich mir ein drogenfreies Leben vorstellen kann, das kann ich zur Zeit nicht beantworten.

Interview: Lisa Schönemann