Dosierung per Computer

■ Methadon-Ausgabepraxis in den Niederlanden

An der Frage der Vergabe von Heroin scheiden sich auch beim drogenpolitisch progressiven Nachbarn die Geister. Zwar ist das eigentliche Tabu, sich überhaupt mit dieser Thematik zu befassen, inzwischen gebrochen. Wie in der BRD verbindet sich jedoch der Gedanke an eine staatlich kontrollierte Heroinabgabe auch in den Niederlanden mit der Befürchtung, der Stoff könnte bei Jugendlichen durch eine schrittweise Legalisierung an Abschreckung verlieren. Fortgeschrittener als die Diskussion um Heroin ist in den Niederlanden die Behandlung mit der Ersatzdroge Methadon. Allein 1.000 der etwa 2.000 Heroinabhängigen in Rotterdem werden mit dem Ersatzsuchtmittel behandelt.

Das staatlich finanzierte Methadon-Programm weist für die Junkies leicht zu erreichende, sogenannte niedrigschwellige Angebote aus: Drogenabhängige können ihre tägliche Dosis an einer mobilen Station, einem Bus, einnehmen. Häufig reicht ein Nachweis über die Drogenabhängigkeit aus. Ausländer sind vom Programm grundsätzlich ausgeschlossen. An sieben Orten wurden im Januar in Rotterdam Methadon-Dosierungsautomaten aufgestellt. Die Apparate liefern nicht nur das Medikament, sie überwachen auch die individuelle Dosierung. Jeder bekommt aus dem computergesteuerten System nur das heraus, wozu er berechtigt ist. Auf ähnliche Weise wurden bisher gebrauchte gegen neue Spritzen ausgetauscht. Durch diese Kontrolle hat die Stadt ihre Ausgaben für die Verabreichung von Methadon inzwischen halbieren können.

„Höherschwellige“ Angebote sehen tägliche Urinkontrollen vor, um einen Nebenkonsum anderer Drogen im Auge zu behalten; auch setzen sie die Dosis der Ersatzdroge mit der Zeit herunter. Dieser schrittweise Entzug wird von Akupunktur und psycholsozialer Betreuung flankiert. In den Niederlanden haben bisher 7.000 Menschen regelmäßig Methadon erhalten. Für viele ist die Ersatzdroge zum Vehikel geworden, aus der Szene auszusteigen, Sozialhilfe zu beziehen und eine Unterkunft zu finden sowie infektionshindernde Maßnahmen gegen Aids zu ergreifen.

Im Hinblick auf den gleichzeitigen „Nebengebrauch“ anderer Drogen wie Kokain und die fortgesetzte Drogenkriminalität während der Behandlung weisen niedrigschwellige und höherschwellige Methadon-Angebote unterschiedliche Ergebnisse auf: Staatliche wie freie Drogenhelfer gehen davon aus, daß etwa 70 Prozent der Substituierten mittlerweile den Absprung aus der täglichen Kleinkriminalität schaffen. 60 Prozent der substituierten Junkies erreichen über eine Erwerbstätigkeit ein (legales) Einkommen.

Nach den bisherigen Beobachtungen ist es gelungen, 70 Prozent der behandelten Junkies sozial zu reintegrieren. Dies geht u.a. darauf zurück, daß die drogenpolitischen Einzelmaßnahmen von sozialen Einrichtungen auf der einen, Justizbehörden auf der anderen Seite das Ergebnis eines ständigen Abstimmungsprozesses zwischen allen mit Teilaspekten der Drogenproblematik befaßten Institutionen sind. Drogenabhängige werden somit nicht zwischen gegenläufigen Kompetenzstreitigkeiten zerrieben.

Lisa Schönemann