piwik no script img

Grünens fundamentaler VIP

■ Abgeordneter Tiefenbach wollte Lendl sehen und zockte deshalb Karten für Steeb ab

„Sehr geehrte Damen und Herren, im Namen des Präsidiums des Deutschen Tennis Bundes, Herrn Dr. Claus Stauder, und des Präsidiums laden wir Sie zu dieser Veranstaltung als Ehrengast ein.“ Unverhofft kommt oft und um so öfter, je exponierter die entsprechende Person ist. In diesem Fall ist die Person der „Vorsitz der Fraktion die Grünen“ und der Anlaß der Einladung die Davis-Cup-Partie zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden.

Nun sind Davis-Cup-Partien trotz eines sich radikalisierenden Bobele Becker, und erst Recht natürlich ohne ihn, erst mal ideologisch von einigermaßen üblem Übel. Da stinkt's nach Geld, da schmeckt der Hummer, wobei letzteren nur ein VIP bekommt, und dann, als VIP, natürlich umsonst.

Nun ist den Grünen natürlich nicht vorzuwerfen, daß ihr Fraktionsvorstand vom Deutschen Tennnis Bund für besonders VIPpig gehalten wird - Ehre, wem Ehre gebührt - aber wie bringt man diese neugewonnene Wichtigkeit in möglichst nahtlose Übereinstimmung mit den althergebrachten basisdemokratischen Ansprüchen? Kein Problem für einen pfiffigen Fraktionsvorstand: Der wirft die jeweils zwei Karten für die drei Cup-Tage in eine Lostrommel und dann soll das Glück entscheiden. Glückliche Gewinner von je zwei Karten wurden ein Rechtspraktikant und der Abgeordnete Manfred Schramm, wobei der, mangels Hang zum Tennis die Karten gleich an Bekannte weiterverscherbelte: Für die Kaffeekasse der Grünen, wie er jetzt hoch und heilig schwört.

Doch Vorständler Paul Tiefenbach wollte die Karten partout nicht sozialisieren. Grünens schärfster Kritiker der VIPs wollte in diesem Fall mal selber einer sein. „Der hat die Karten einfach abgezockt“, ärgert sich ein realpoltisch orientierter Fraktionsmitarbeiter über des Fundis heimliche Begierden. „Ich bin ein großer Anhänger von Ivan Lendl“, meint dagegen Tiefenbach zur Rechtfertigung der ideologischen Abweichung. Nun ist Lendl zwar weder Holländer noch Deutscher und spielt deshalb nicht, aber es spielt Carl -Uwe Steeb, und der wiederum hat einen ähnlichen Stil wie Lendl, sagt Tiefenbach. Ah, ja. Und außerdem sitze er in der 10. Reihe, und das sei wiederum so gut auch nicht. Ach so.

Um am Schluß den Bogen von der Nobelveranstaltung Tennis zum popeligen Fußball zu schlagen, zitieren wir aus der Pressemitteilung 21/90 der Fraktion die Grünen. Da spricht sich der Grüne Abgeordnete Paul Tiefenbach gegen den Neubau der Weserstadiontribübne aus, „weil es drängendere Aufgaben gibt, als einen Stadion-Ausbau mit VIP-Lounge.“ Bleibt eine Frage offen: Was wäre, wenn Lendl Fußball spielen würde?

Rosi Roland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen