Wie die Samariter

■ Betr.: „DDR-Ökonomie“ 'taz vom 29.1.90

Wenn westdeutsche Politiker, Industrieunternehmen und Großbanken wie Weiland die barmherzigen Samariter der DDR ihre Hilfe angedeihen lassen wollen, dann tun sie dies wohl kaum aus purer Nächstenliebe. Andererseits kann sich die marode Wirtschaft im anderen deutschen Staat nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Die Planwirtschaft beizubehalten und ihr lediglich einige „kapitalistische Korsettstangen“ zu verpassen, wäre nicht ausreichend und würde im Ergebnis den Abwandererstrom kaum bremsen. Der Arbeitstag der Gewerkschafter fand auch keine Antwort, so werden denn ganz andere sie geben. Die Vorstellung aber, daß man die DDR nach einer Schamfrist mit D-Mark und Daimler vereinnahmen wird, um so einen Wirtschaftsriesen inmitten Europas zu schaffen, jagt nicht nur hierzulande eingefleischten Wiedervereinigungsgegnern kalte Schauer über den Rücken. Käme also wirklich nur ein „dritter Weg“ in Frage? Beispielsweise eine ökologisch und sozial ausgerichtete Markwirtschaft mit großem staatlichen Sektor und einem demokratisch-antifaschistischem Überbau, wo Banken und Schlüsselindustrie in Gemeineigentum überführt sind? Das würde in der Konsequenz die (vorläufige) Eigenstaatlichkeit der DDR bedeuten, was deren BewohnerInnen zum Teil ja noch wollen. In diesem Fall könnte gezielte bundesdeutsche Hilfe für Betriebe und Infrastruktur, sowie für Schaffung eines breiten mittelständischen Unternehmens der Bevölkerung wirklich nützen. Doch in Bonn und in den bundesdeutschen Chefetagen hat man leider ganz andere Pläne.

Wieland von Hodenberg