Bremer Hilfe zum Überleben des Sozialismus

■ Ex-Senator Franke versteigert Bilder für Rumänien

Ein buckliges Dorfgässchen, holpriges Kopfsteinpflaster, schäbigschiefe Hauswände, bröckelnder Putz, blätternde Farbe oder gar keine, rissige Mauern. Kein Platz für Menschen. Nicht mehr. Nur die Kirchturmspitze im Hintergrund schmuck und freundlich im Himmelweißen.

Keine betuliche Idylle für Guck-mal-da-wie reizend -Touristen oder herzzerreißend-verlogenen Mitleidsschwulst („Nein, Gustav, wovon die Menschen nur leben“), sondern: Systematisch, geplant und revolutionär absichtsvoll heruntergewirtschaftete Erinnerung an eine fast vergessene bescheiden-ärmliche Zufriedenheit. Heimat. Früher. Jetzt: Zerstörter Lebensraum, herausgerissen aus der Landschaft. Lebensraum, in dem die Häuser abgeschafft wurden, um anschließend die Bewohner umso leichter abzuschaffen zu können. Abschaffung lebender Menschen zugunsten toter Ideale eines einzelnen Revolutionärs.

Rumänien, Frühsommer 1989: Ein Diktator plant ein Volk neu wie Strandkorbmieter ihre Sandburg. Seine Mittel: Abrißbagger, Planierraupen und Geheimdienst. Ganze Dörfer wurden überraschend von Ceaucescus Abrißtrupps überfallen, ihre Bewohner zwangsweise umgesiedelt in realsozialistische Hoch

hausghettos.

Mit der Kamera hat der Bremer Fotograf Wolfgang Weiss bei einer Rumänien-Reise des grünen Bildunsgwerks die Bausteine für Ceaucescus Traum vom „neuen Menschen“ dokumentiert. Herausgekommen sind Bilder generalstabsmäßiger Zerstörung bestehender Dorfstrukturen und des Aufbaus des Sozialismus aus Fertigbau-Betonplatten.

Seine Bilder, ursprünglich gedacht als Dokumente eines diktatorischen Sozialismus und im September erstmals ausgestellt in der Bremer Bürgerschaft, sollen jetzt einen Beitrag zur Überwindung des Dokumentierten leisten: Großformatige und gerahmte Abzüge (70 x 70 cm) werden am Donnerstag, den 8. Februar im Rahmen einer Rumänien -Solidaritäts-Auktion amerikanisch versteigert. Als Auktionator wird sich Bremens Kultursenator (dann gerade ade) Horst Werner Franke höchstpersönlich versuchen. Der gesamte Erlös soll Menschen in der rumänischen Stadt Sibiu (ehemals Hermannstadt) zugute kommen. Sibiu, wo die meisten Bilder auch aufgenommen wurden, gehört nach Temesvar zu den rumänischen Städten, die beim Sturz des Dikatators und bei den Kämpfen mit der Securitate am meisten zerstört wurden.

K.S.