Doppelherrschaft in Gdansk

■ Solidarnosc beguckt Bremer Kommunalpolitik

Eine Woche lang waren sie in der Partnerstadt Bremen. Haben mit ihren grünen GastgeberInnen die Universität und das Klärwerk Seehausen, die Gleichstellungsstelle und den Weser -Kurier, eine Tagesstätte für Behinderte und eine Umwelt -Bürgerinitiative angekuckt. Was hat den polnischen Solidarnosc-KommunalpolitikerInnen im reichen Bremen am meisten Eindruck gemacht? Stanislaw Rusek überlegt nicht lange: Daß es extra Niederflurbusse für Behinderte und im Parlament einen extra behindertengerechten Sitz für den einen rollstuhlfahrenden Bürgerschaftsabgeordneten gibt. „Der Sitz für den einen Abgeordneten“, wird auch Krystyna Kodymowska in bleibender Erinnerung bleiben, sind doch in Polen behinderte Menschen in armseligen Spittälern untergebracht.

Ende April stehen in Polen die vorgezogenen, ersten freien Kommunalwahlen an. Wenn die sechs Delegierten wieder zurück sind, wartet viel Arbeit auf sie. Sie alle sind aktiv in den Bürgerkomitees, die 1989 entstanden, um die KandidatInnen der Solidarnosc bei den Wahlen zum Sejm zu unterstützen. An der Ostseeküste, dem Geburtsort von Solidarnosc, lösten sich die Komitees nach den Wahlen nicht auf. Krystyna Kodymowska: „Wir haben

die Macht oben errungen, aber wir müssen auch von unten die Bürger bewegen.“ Anfangs hätten die kommunistischen Machthaber von Gdansk die Bürgerkomitees nicht anerkannt. Doch die Komitee-Mitglieder erkämpften sich auf den formell öffentlichen Sitzungen Beobachterstatus und schließlich Rederecht. Krystyna Kodymowska: „Jetzt rufen uns die Beamten und die Nationalräte an und bitten uns, um unsere Beteiligung. - Sie behandeln uns als die zukünftigen Machthaber.“ Krystyna Kodymowska engagiert sich im Handelsausschuß ihres Bürgerkomitees. Kümmert sich darum, daß die beiden großen staatlichen Monopol-Handelsketten „Spolem“ und „WPHW“ zerschlagen und die einzelnen Läden Privatleuten übergeben werden. Fast jeden Tag muß sie intervenieren, wenn bekannt wird, daß staatliche Läden die Preise wieder massiv erhöht haben. Dann heißt es, die Vermittlungsspannen zu überprüfen. Das Handelskomitee strebt an, daß die ErzeugerInnen ihre Waren direkt - ohne Vermittlungskosten - in den Läden vermarkten können. Kodymowska: „Wir haben schon ein wenig Wettbewerb erzeugt, so daß die Kunden die Preise vergleichen können.“ - Tja. Das heißt Kommunalpolitik in Polen.

Barbara Debus