Krimis: "New York Babylon", "Saint Mike" von Jerry Oster/"Die Nacht des Jägers" von Davis Crubb

Jede Woche das gleiche amüsante Spiel. Der Reiseredakteur informiert: „Karl, nächste Woche ist die UdSSR dran“. Worauf ich dann zu sagen habe: „Alles klar, da gibt's ein paar neue Krimis.“ Es kommt natürlich auch vor, daß er sagt: „Nächsten Samstag machen wir was über die Antarktis“, dann kommt von mir ein blasphemisches „Ach du heilige Scheiße!“ Letzte Woche hatten wir wieder die einfache Variante: „Karl, nächste Woche USA!“ Na, das war nun wirklich absolut kein Problem, dachte ich. Jeden Monat erscheinen Dutzende US -Krimis bei uns. Ich stöberte also ein bißchen rum, und schon nach kurzer Zeit war mir klar, daß ich doch ein Problem hatte, ein uraltes und äußerst unangenehmes: Die unerträgliche Qual der Wahl. Okay, ich habe mich entschieden, und zwar für den ehemaligen Journalisten und Filmkritiker Jerry Oster. Der Stern des New Yorker Autors ging 1980 mit Port Wine Stain am amerikanischen Krimihimmel auf und strahlte gleich verdammt hell. 1986 war es auch bei uns so weit, das Buch erschien als Rowohlt -Thriller unter dem Titel New York Babylon. Der hartnäckige Reporter Charles Ives versucht im Alleingang in der Halb und Unterwelt Manhattans ein mörde risches Puzzle zu lösen, für das sich die Polizei anscheinend nicht sonderlich interessiert.

Anders als sein Kollege Andrew Vachss zum Beispiel, erzählt Jerry Oster seine Geschichten langsamer, zeichnet die Protagonisten sorgfältiger. Das ist zwar lobenswert, läßt aber leider auch den Spannungsbogen oft reißen. Trotzdem, seine Krimis sind gut durchkonstruiert und hervorragend geschrieben. In seinem letzten, Saint Mike, läßt er zwei Frauen gegeneinander antreten. Auf der einen Seite haben wir da die eiskalte Koks-Crack-H-Dealerin Rachel. Sie ist sich nicht zu schade, einen FBI-Beamten abzuknallen - mit ihren Kokurrenten macht sie es schließlich genauso. Auf der Seite des Gesetzes steht Susan Van Meter, die Witwe des gemeuchelten Bundesbullen. Als Saint Mike wird sie als Undercover-Narco in die Scene eingeschleust... Die meisten Nebenrollen dieses Krimis sind übrigens mit Männern besetzt.

Viele von Euch werden wahrscheinlich Charles Laughtons Die Nacht des Jägers kennen, einen der schwärzesten Thriller der Filmgeschichte, mit Robert Mitchum als psychopathischem Pfaffen. Harry Powell heißt der Mann Gottes, der die Finger seiner rechten Hand mit dem Wort L-O-V-E und die der linken mit H-A-T-E tätowiert hat („Diese beiden Hände sind die Seele des sterblichen Menschen! Haß und Liebe - sie bekriegen sich vom Mutterschoß bis zum Grabe...„). Der Prediger („Ich bin ein Mann des Heils!„) hat schon mehrere Witwen auf dem Gewissen. Jetzt ist er mit einem Klappmesser bewaffnet („Ich diene Gott und komme nicht in Frieden, sondern mit dem Schwert!„) hinter 10.000 Dollar her, die ein hingerichteter Vater seinen beiden Kindern hinterlassen hat.

Die literarische Vorlage des Film stammt von Davis Crubb, und man muß dem Ullstein-Verlag dankbar sein, der nun endlich eine deutsche Übersetzung dieses faszinierenden Krimis herausgebracht hat. Charles Laughton hielt das Buch übrigens für ziemlich starken Tobak, er hat deshalb versucht, seinen Film mit ein paar Käuzchen und Kätzchen etwas aufzuhellen.

Karl Wegmann