Aksoy: Politischer Querdenker und Laizist

Bekannter linksliberaler Jurist in Ankara ermordet / Verdachtsmomente gegen Fundamentalisten oder türkische Mafia  ■ P O R T R A I T

Istanbul (taz) -Die Wölfe heulen, die „Solidarität der Demokraten“ wird angestimmt. Wenige Tage nach dem Attentat auf den prominenten Verfassungsrechtler Muammer Aksoy übt sich die türkische Politprominenz in Verurteilungen des Mordes. „Große Trauer“ empfindet der Ministerpräsident Yildirim Akbulut, und Staatspräsident Turgut Özal verurteilt das Attentat „auf das Schärfste“. Heute soll ein Trauerakt in der Nationalversammlung stattfinden.

Dabei war der Aksoy, der am Mittwoch aus 40 Zentimeter Entfernung mit drei Schüssen vor seiner Wohnungstür in Ankara niedergestreckt wurde, ein politischer Querulant. Als Vorsitzender des „Türkischen Rechtsinstitutes“ und des von ihm gegründeten „Vereins zur Verbreitung Atatürkschen Gedankengutes“ kämpfte er unerbittlich gegen die staatliche Duldung und Förderung islamisch-fundamentalistischer Tendenzen. „Noch nie in der Geschichte der türkischen Republik war die Gefahr religiös-reaktionärer Massenbewegung so akut wie heute. Die Scharia bedeutet das Ende der Meinungsfreiheit in der Türkei“, schrieb der 73jährige Verfechter des Laizismus wenige Tage vor seiner Ermordung. Aksoy meldete sich oft zu Wort, um gegen die Zulassung von Schleier und Turban an türkischen Unis zu protestieren. Mit den Herrschenden stand Aksoy, der an dem Entwurf der liberalen Verfassung von 1961 beteiligt war, auf Kriegsfuß. Nach dem Militärputsch von 1971 wurde der bekannte Professor für Verfassungsrecht als „Linksradikaler“ verhaftet und im Militärgefängnis Mamak interniert. Unter dem Sozialdemokraten Ecevit zog Aksoy 1977 ins Abgeordnetenhaus ein, 1981 wurde er Vorsitzender der Anwaltskammer Ankaras.

Über den Hintergrund des „professionellen Mordes“ (der Polizeisprecher) wird bislang nur spekuliert. „Aksoy ist von den Moslems wegen seiner Feindschaft zur islamischen Bekleidungsordnung bestraft worden“, bekannte sich ein anonymer Anrufer von der unbekannten Gruppe „Islamische Bewegung“ zum Anschlag. Auch Verbindungen zur türkischen Mafia sind im Gespräch. Aksoy vertrat als Anwalt die Bank „Emlak Bankasi“, die von dem Unternehmer Horzum um Millionenbeträge betrogen worden war. Spitzen der regierenden „Mutterlandspartei“ waren in den Skandal involviert. Die Staatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichtes Ankara führt die Ermittlungen. Doch der Vorsitzende der türkischen Anwaltskammer, Kazan, Zellengenosse des Getöteten im Militärgefängnis, hat in sie kein Vertrauen. Morde an prominenten linken Professoren Ende der 70er Jahre wurden zumeist nicht aufgeklärt. Die linken Studenten in Istanbul, die in den vergangenen Monaten Übergriffen von seiten der Polizei und bewaffneter Faschisten ausgesetzt waren, sammelten sich spontan: „Der Faschismus hat Aksoy ermordet“.

Ömer Erzeren