„Man guckt jetzt genauer hin“

■ Mädchennotruf in Bremen-Nord bald ohne Stelle / Senat soll Betreuung sexuell mißbrauchter Mädchen „als gesellschaftliche Aufgabe“ anerkennen

„Manchmal rufen anschließend sogar acht bis zehnjährige bei uns an“, erzählt Heike Ohlebusch vom Mädchennotruf in Bremen -Nord von ihren Infoveranstaltungen in Schulklassen. Heike Ohlebusch ist die einzige „feste Kraft“ beim Mädchennotruf, der über sexuellen Mißbrauch aufklären und betroffene Mädchen beraten will. Allerdings: Ende April läuft Heikes ABM-Stelle, unter der Obhut des Amtes für Soziale Dienste im Jugendfreizeitheim Burglesum angesiedelt, aus.

Jetzt trafen sich die KollegInnen der Jugendfreizeitheime und ambulanten Dienste Nord, um ihre Forderung nach Einrichtung von festen Stellen öffentlich zu formulieren. Alle waren sich einig: Der Mädchennotruf hat mit seiner Arbeit entscheidend dazu beigetragen, den sexuellen Mißbrauch von Mädchen aufzudecken und gemeinsame Hilfen für sie zu entwickeln. Wesentlicher Schwerpunkt in der Arbeit des Mädchennotrufs war bisher auch die Sensibilisierung der professionellen HelferInnen für das Thema in ihrer alltäglichen Arbeit. Eine Sonderschullehrerin erzählt von den Folgen: „Mich hat eine Veranstaltung des Mädchennotrufs auf ein betroffenes Mädchen in meiner Klasse aufmerksam gemacht. Man guckt ganz anders hin, wenn der Blick erstmal geschärft ist.“

Nun ist der Mädchennotruf - einzigartig in Bremen - in seiner Existenz bedroht. Auf eine ABM-Verlängerung um ein drittes Jahr will sich die Sozialpädagogin Heike Ohlebusch nicht einlassen: „Der Senat muß einsehen, daß es hier ein gesellschaftliches Problem zu bearbeiten gilt, das mit der Definition einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht zu vereinbaren ist. Eine Stelle reicht ohnehin nicht aus.“ Wer soll am Telefon sitzen, wenn ein Beratungsgespräch geführt wird? Wer soll Informationsarbeit bei den ambulanten Diensten und in den Schulen durchführen, wenn gerade eine Mädchengruppe im Jugendfreizeitheim betreut werden will? fragt Heike. Eine Kollegin aus dem Freizi Burglesum hatte die Hälfte ihrer Arbeitszeit zur Unterstützung des Mädchennotrufes eingesetzt. Doch sie ist mittlerweile im Mutterschaftsurlaub. Heike Ohlebusch: „Eine Stelle für die Notruf-Arbeit zu teilen, ist nicht sinnvoll.“ Sie erinnert dabei an kontinuierliche Beratung und die so nötige Supervision.

Die Kolleginnen aus den Bremer Jugendfreizeitheimen fordern die Einrichtung von Mädchennotrufen für jeden Stadtteil, mit jeweils zwei Planstellen. Auf keinen Fall sei jedoch die Betreuung der sexuell mißbrauchten Mädchen eine Regelaufgabe der

Jugendfreizeitheime. Empörend findet Renate Döscher vom Mädchenarbeitskreis die Forderung der Sozialbehörde, mit statistischen Zahlen die Notwendigkeit einer speziellen Einrichtung für von sexueller Gewalt betroffene Mädchen zu belegen. Andere soziale Probleme würden nicht derart geleugnet.

Amtliche Vertreter waren zu diesen Vorwürfen bei dem Tref

fen leider nicht zu befragen: Trotz Einladung waren weder die zukünftige Sozialsenatorin Sabine Uhl, noch Brigitte Melinkat von der Gleichstellungsstelle, noch Gertrud Stövesandt, die Frauenbeauftagte beim Sozialsenator, zu dem Termin erschienen. Die Gleichstellungsstelle, so Barbara Loer später auf telefonische Anfrage, würde sich für die Verlängerung um ein drittes ABM-Jahr

starkmachen - sofern sie vom Mädchennotruf beantragt wird. Darüber hinaus hat die Gleichstellungsstelle für zehn Frauenprojekte, darunter auch gemeinsam für den Mädchennotruf und Schattenriß, die Zuweisung von Stammkräften beim Arbeitssenator gefordert. Die befürwortenden Stellungnahmen der zuständigen Fachressorts liegen bereits vor. „Wie lange es bis zu einer

Entscheidung noch dauern wird, ist ungewiß“, meint Barbara Loer. Gertrud Stoevesandt dazu: „Eine eigene Stammkraft für den Mädchennotruf in Burglesum zu bekommen, ist nicht möglich. Das Stammkräfteprogramm dient der befristetenBegleitung von Projekten. Dafür müßten schon mehrere Jugendfreizeitheime ein entsprechendes Konzept vorlegen.“ Beate Ramm