Wann nimmt Herr Nowottny seinen Hut?

■ Beim Westdeutschen Rundfunk ist seit 1.12. 89 ein Frauenförderplan mit Quote in Kraft. Doch bis die erste Intendantin im Amt ist, müssen noch viele Register weiblicher Überzeugungskünste gezogen werden. Was ist „gleiche Qualifikation“? Verhandlungspoker statt Vetorecht

Seit dem 1.Dezember 1989 gilt in Nordrhein-Westfalen das Frauenförderungsgesetz (FFG), das die Quotierung im öffentlichen Dienst vorschreibt, sowie in Anstalten, Stiftungen und Körperschaften, die der Aufsicht des Landes unterstellt sind. Sie trifft also auch den öffentlich -rechtlichen WDR. Dort trat am 1. Dezember ein Frauenförderplan in Kraft, in den im letzten Moment die Quotierung aufgenommen wurde. Rita Zimmermann, seit Januar 1989 Gleichstellungsbeauftragte im WDR, ist die Frau, die über die Umsetzung des Planes wacht. Von ihr wollte die taz wissen, ob und wie das Gesetz ihre Arbeit verändert.

taz: Verlaufen Stellenbesetzungen für Frauen beim WDR nach dem 1. Dezember anders als vorher?

Rita Zimmermann: Nein. Das ist im Moment noch nicht zu beobachten. Und zwar deshalb nicht, weil ich die ganze Zeit als Gleichstellungsbeauftragte ja schon im Sinne des jetzigen Förderplans gearbeitet habe. Unser Intendant hat verfügt, als er mich Anfang letzten Jahres berufen hat, daß Stellenbesetzungen in den Bereichen im WDR, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, über meinen Schreibtisch laufen. Das ist auch Inhalt des Frauenförderplans, den er am 1.Dezember eingesetzt hat.

Aber hat nicht das Gesetz der Quotierung Schubkraft verliehen?

Nun, ich bin ganz sicher, daß wir die Quotierung im WDR nicht hätten, wenn in Nordrhein-Westfalen nicht das Frauenförderungsgesetz verabschiedet worden wäre. Nur, der WDR sagt, wir können Frauen auch ohne Quotierung fördern.

Bei der Quotierung geht es aber konkret um Stellenbesetzungen. Hat es da in den letzten beiden Monaten Konflikte gegeben?

Ja, es gibt so einen Konflikt. Das ist eine Abteilung in der Fernsehproduktion, wo ich jetzt zum ersten Mal auf das neue Gesetz und die Quotierung Bezug genommen und den Abteilungsleiter daran erinnert habe. Die Abteilungsleiter müssen mir in einem Gespräch begründen, warum sie unbedingt den Mann einstellen wollen.

Und wenn der Mann genommen wird? Haben Sie dann weitergehende Druckmittel?

Ich werde so verfahren wie im letzten Jahr. Angenommen, dieser Konflikt läßt sich im Gespräch nicht lösen, dann gebe ich eine weitere Stellungnahme ab, die auch unsere Personalvertretung erhält, mit der ich recht kollegial zusammenarbeite. Und die ist ja auch den gesetzlichen Grundlagen verpflichtet. So kann eine Stellenbesetzung zeitlich relativ lange aufgehalten werden, bis sich eine Lösung abzeichnet.

Was ja für die Bewerber und Bewerberinnen nicht unbedingt ein Vorteil ist.

In diesem Fall kommt die Bewerberin aus einer anderen Abteilung des Hauses. Wir haben über die Sache gesprochen. Und sie sagt: Ich steh‘ das jetzt durch. Sicher gibt es auch Beschäftige, die dann sagen, ach nee, der ganze Knatsch ist mir nicht recht. Aber solche Fälle haben wir hier im Haus relativ wenige.

Zur umstrittenen Formulierung der Quotierung: wenn eine Frau „nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleich“ qualifiziert ist, soll sie dort bevorzugt eingestellt werden, wo es zu wenige Frauen gibt. Was bedeutet „gleich“?

Ehrlich gesagt: Ich weiß das nicht. Für mich gibt es keine zwei Menschen, die gleich sind. Ich verhandle derzeit mit den Herren von der Geschäftsleitung darüber, daß wir schon bei der Beschreibung der zu besetzenden Stelle sehr sorgfältig den Text auswählen, damit eine Vergleichbarkeit von weiblichen und männlichen Bewerbern überhaupt möglich ist.

Hier ist ja der Gesetzestext übernommen worden. Ein Betrieb wie der WDR funktioniert aber nicht nach dem Beamtenrecht. Wie wollen Sie als Gleichstellungsbeauftragte diese recht bürokratische Formulierung für den WDR umsetzen?

So etwas wie Ausführungsbestimmungen gibt es hier noch nicht. Ich habe vorgeschlagen, daß wir in der gleichen Besetzung wie beim Frauenförderplan - also Geschäftsleitung, Personalrat, WDR-Frauengruppe und ich - darüber beraten, wie wir das speziell für uns, also den WDR definieren.

Können Sie versteckte Benachteiligungen verhindern?

Das sind Probleme, die ich nur mit sehr viel Kraft und Überzeugungsarbeit bei denen, die die Stellen zu besetzen haben, aus dem Weg schaffen kann. Ich bin in ständigen Gesprächen mit den Abteilungsleitern, ich mache auch Stufenpläne mit ihnen, um deutlich zu machen, in welchem Zeitraum und in welcher Qualität man Frauen berücksichtigen kann. Ich bin da auf den guten Willen derjenigen angewiesen, die für Stellenbesetzungen zuständig sind, da ich keine Möglichkeit habe, einem Abteilungsleiter vorzuschreiben, wen er auf eine Position zu nehmen hat.

Auch mit dem Gesetz nicht?

Auch mit dem Gesetz nicht.

Haben Sie ein Vetorecht?

Nach dem WDR-Gesetz ist das nicht möglich. Wir haben die Intendantenverfassung, das heißt, der Intendant ist derjenige, der letztendlich allein verantwortlich ist für alles. Mit einem Vetorecht für mich oder beispielsweise die Personalvertretung, wäre das ganze aus den Angeln gehoben. Das geht nicht.

Machen Sie dann nicht eine typische Frauenarbeit, indem sie überzeugen, einwirken, indirekt arbeiten - also mit Mitteln, die immer noch den Frauen zugeschrieben werden.

Natürlich. Da das aber keine schlechten Mittel sind und, wie ich finde, sehr sinnvolle Möglichkeiten, die wir Frauen haben, denke ich, daß die Männer daran ruhig auch ein bißchen partizipieren können. Ich suche aber auch nach anderen Wegen. In der Weiterbildung zum Beispiel setze ich mich dafür ein, daß Seminare zur Frauenförderung angeboten werden und Abteilungsleiter verpflichtet werden, daran teilzunehmen. Wie sie auch verpflichtet sind, an Managementseminaren teilzunehmen. Personalentwicklung und Personalförderung ist schließlich eine ganz wichtige Sache.

Im WDR gibt es 4500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und sehr viele verschiedene Berufe. In welchen Bereichen, neben den Führungspositionen, sind Frauen am deutlichsten unterrepräsentiert?

Wir haben 85 Abteilungen im Haus. Davon gibt es drei Abteilungsleiterinnen. Im Hauptabteilungsbereich gibt es keine Frau und im Direktionsbereich nur unsere Justitiarin. Wenn ich mal nicht nach Berufen, sondern nach Vergütungsgruppen gehe, dann sind Frauen in den oberen vier Vergütungsgruppen extrem unterrepräsentiert. Insgesamt sind ein Drittel der Beschäftigten Frauen.

Wie ist das in den technischen Berufen? Kann der Sender darin gezielt Frauen ausbilden?

Der Wille ist da, junge Frauen in typischen Männerberufen besonders stark zu berücksichtigen. Das ist der komplette Handwerksbereich, dann der Bereich der Technik, wo wir Energieanlagenelektronikerinnen ausbilden, Radio- und Fernsehtechnikerinnen ist ein zweiter Schwerpunkt. Auch bei den Volontariaten sind Frauen in den letzten Jahren erheblich mehr berücksichtigt worden. Ich dränge darauf, daß wir Kamera- und Regievolontariate einführen, um hier Frauen selbst ausbilden zu können.

Gibt es beim WDR schon Bereiche, die quotiert sind?

Nein. In einigen kaufmännischen, technischen und handwerklichen Ausbildungen sind Mädchen zur Zeit überrepräsentiert. Aber es dauert endlos lange, bis wir dann nachher bei den Beschäftigten eine 50prozentige Quote erreichen. Ich will in diesem Zusammenhang aber auch sagen, was Frauenförderung grundsätzlich für mich bedeutet. Drei Dinge müssen parallel laufen: Die Arbeitszeitverkürzung für Männer und Frauen, dann brauchen wir mehr Möglichkeiten, wo die Kinder versorgt werden können, also öffentliche und betriebliche Kindergärten und schließlich die Quote. Im Januar 1991 werden wir einen Betriebskindergarten haben, das ist zum Beispiel auch ein Projekt, mit dem ich befaßt bin, und wo ich große Unterstützung aus dem Hause habe.

Der Anpassungsdruck auf Frauen, die in von Männern geschaffenen Strukturen erfolgreich sein wollen, ist sehr groß. Können Sie dem etwas entgegen setzen?

Solange wir nur vereinzelt Frauen in verantwortlichen Positionen haben, ist das sicher so. Als Einzelkämpferin kann eine Frau nur in ihrer direkten Umgebung etwas ändern. Sobald wir aber mehr Frauen in Verantwortung haben, entwickelt sich bei mir sofort die Hoffnung, daß sich auch Strukturen ändern. Vorher nicht.

Interview: Bettina Markmeyer