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NRW-SPD spielte Muppet-Show

Landesparteitag kürte am Samstag Johannes Rau mit 98,96 Prozent zum Spitzenkandidaten / Ein Parteitag ohne Kontroversen / Schon vorab war alles entschieden / Rau: „Kein Deutsches Reich, sondern Deutschen Bund“  ■  Aus Siegen Walter Jakobs

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau hat die Schar seiner innerparteilichen Gegner erneut dezimiert. Waren es vor fünf Jahren noch zwei Delegierte, die dem Spitzenkandidaten ihre Stimme verweigerten, so blieb auf dem Landesparteitag am Samstag in Siegen nur noch ein Nein-Sager übrig. „Den finden wir auch noch“, hieß es nach der Wahl auf den Fluren der Siegerlandhalle.

Im Grunde kam die Siegener Veranstaltung einer Verschwendung von Parteigeldern gleich, denn noch bevor der erste Delegierte den Saal betrat, war längst alles entschieden. Den Streit um die Reserveliste für die Landtagswahl am 13.Mai hatte der Landesvorstand unter Beteiligung aller Bezirke so gründlich geschlichtet, daß auch nicht ein einziger Delegierter wagte, den Frieden zu stören.

Und um den Eindruck einer „Muppet-Show“ - so ein SPD -Funktionär - komplett zu machen, äußerte niemand im Saal Interesse, die KandidatInnen überhaupt kennenzulernen. So wurden die 107 Köpfe ohne jede Vorstellungsrunde blind gewählt.

Allerdings, diese Gleichgültigkeit kommt nicht von ungefähr: gewinnt die SPD am 13.Mai ähnlich viele Direktmandate wie vor fünf Jahren, dann zieht nicht mal Platz eins der Liste. Damals erreichte selbst Rau nur über sein Direktmandat den Düsseldorfer Landtag. Für diesen ziemlich realistischen Fall steht schon heute fest, daß die NRW-SPD die auf dem Münsteraner Bundesparteitag beschlossene Frauenquote vom 25 Prozent im neuen Landtag auch nicht annähernd erreichen wird. Daß auf den ersten 13 Listenplätzen 9 Frauen kandidieren, kommt vor diesem Hintergrund einer Roßtäuscherei gleich.

Dem bei den Wahlen gepflegten Schnelldurchgang blieb der Parteitag auch bei der Verabschiedung des Wahlprogramms treu. Zu entscheiden gab es ohnehin nichts mehr. Vom Landesvorstand verabschiedet, in der Presse längt verfrühstückt, beschied sich der Parteitag mit einigen redaktionellen Änderungen am 40seitigen Werk.

Vom politischen Streit wollten die Delegierten nichts wissen. Der einzige kontroverse Antrag, mit dem der weitere Ausbau der Müllverbrennung verhindert werden sollte, fand unter den 288 Delegierten nicht mal ein Dutzend Unterstützer. Geschlossenheit bis zum Stillstand! Dem Wahlvolk scheint es zu gefallen, denn alle Umfragen sehen die SPD am 13.Mai als klaren Sieger.

Zunächst wird aber in der DDR gewählt - „die Schicksalswahl nach 1945“, wie Rau sie in seiner Rede nannte. Die SPD wolle helfen, daß dabei „zuerst die Demokratie und dann die SPD gewinnt“. Rau „begrüßte“ den Modrow-Plan „in fast allen Punkten“, allerdings passe die von Modrow vorgeschlagene militärische Neutralität „nicht in die Logik des Vorschlages“. Vielmehr gelte es, „eine neue europäische Friedens- und Sicherheitsordnung, die an die Stelle der bisherigen Militärblöcke tritt“, aufzubauen. Die SPD wolle auch die Föderation, „einen Deutschen Bund und kein Deutsches Reich“.

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