Apokalypse im Bauerndorf

■ König der Eidechsen

(König der Eidechsen, 22.55 Uhr, ZDF) Die Gläubigen pilgern zu den Reliquien ihrer Heiligen. Doch keine Angst, nicht von Lourdes oder gar Altötting ist die Rede. Bußgänger unserer Tage zieht es, wie schon Jarmuschs Mystery Train zeigt, nach Memphis/Tennessee oder New Orleans. Aber auch, wie in König der Eidechsen, nach Paris. Hier nämlich ruhen die Gebeine des legendären Rock-Poeten Jim Morrison, und noch immer wallfahrten alljährlich an dessen Todestag am 7. Juli ganze Heerscharen trauernder Fans an sein Grab.

Von einer dieser Pilgerfahrten erzählt Andreas Piontkowitzs kleines Fernsehspiel. Seine Wallfahrer heißen Marko (Martin Plass) und Uwe (Harald Kleber). Beide stammen aus dem hessischen Diez und leben hier das trüb-triste Leben cooler Kleinstadtfreaks. Abends, wenn das Tagewerk auf dem elterlichen Bauernhof verrichtet ist, haut man sich mit Dosenbier den Kopf zu, und die „Doors“ kommentieren ironischerweise This is the End, so als ob hier jemals etwas hätte beginnen können, dessen Ende es wert wäre, auch nur mit einer Zeile besungen zu werden. Klaus Flenner, neben Andreas Piontkowitz verantwortlich für das Drehbuch, entwirft ein düsteres Bild vom Dasein der Jugendlichen im ländlich-kleinstädtischen Milieu. Und weil das Leben in der Provinz so wenig zu bieten hat, findet es weitgehend zwischen den Kopfhörern eines Walkmans statt: Doors all überall.

In Apocalypse now hat Francis Ford Coppola einst seine Bilder von napalmverbrannten Palmen mit der musikalischen Untergangsvision der Doors zur kraftvollen, wenn auch umstrittenen Symbiose verschmolzen. In König der Eidechsen durchflügen nicht die unvermeidbaren Rotorblätter der US -Helikopter die vor Hitze flirrende Luft, sondern die rotierenden Schnitteisen eines Mähdreschers, und zu den Klängen von Morrisons dunkler Prophezeiung schwenkt die Kamera über den nah am Bauernhof gelegenen Mischwald. Doch nicht nur bei der Gestaltung seiner Bilder, auch bei der Besetzung seiner Rollen hat Piontkowitz sich bei seinem ersten Fernsehspiel vorgenommen, das Zitat spielerisch zu handhaben, ja es bisweilen gehörig auf die Schippe zu nehmen. Überdeutlich bei Martin Plass, der sich in der Rolle des Marko mit Lederhosen und weiß-weitem Flatterhemd ausnimmt wie Morrisons kleiner Bruder, „I'm the Lizard king, I can do anything“, hatte seinerzeit das Original gereimt, und die hessiche Doublette ist tief eingedrungen in den Mythos des Idols. So tief, daß ihr auf die Mäkeleien der Frau Mama, einer gestandenen hessischen Bauersfrau, schon einmal das Morrison-Zitat: „Is that the way to behave in a Rock'n'Roll concert?“ entfährt. Sehr zu Belustigung der ZuschauerInnen.

Friedrich Frey