Wirbel um ÖTV-Demokratie

■ taz-Veröffentlichung eines Urteils über undemokratische Entscheidungsstrukturen innerhalb der ÖTV sorgt für Unruhe

Hamburg (taz) - Die Veröffentlichung eines Urteils des Landgerichtes Stuttgart in der taz sorgt für Wirbel in der ÖTV. Die RichterInnen hatten einen Paragraphen der ÖTV -Satzung für „nichtig“ erklärt, nach dem von den Mitgliedern gewählte betriebliche Vertrauensleute durch die Bezirks- und Kreisvorstände erst noch bestätigt werden müssen. Dabei hatte das Gericht scharfe Kritik an den Strukturen der ÖTV geübt, die demokratischen Minimalanforderungen oft nicht entsprächen.

Der ÖTV-Gesamtbetriebsausschuß wird sich am Mittwoch mit den Konsequenzen aus dem Urteil beschäftigen. Bereits seit November 1989 fordert der ÖTV-Betriebsrat in Stuttgart eine ersatzlose Streichung eines anderen Paragraphen der ÖTV -Satzung, in welcher die Bestätigung hauptamtlicher Funktionäre durch den Stuttgarter Hauptvorstand festgeschrieben ist. Der Betriebsrat zitiert dabei die ÖTV -Chefin Monika Wulf-Mathies: „Statt zentralistischer Machtapparate brauchen die Arbeitnehmer demokratische Strukturen, in denen sie ihre Positionen einbringen, in denen sie mitbestimmen können.“ Beim „Tabuthema innergewerkschaftliche Demokratie“, so ein hochrangiger ÖTV -Funktionär zur taz, wird die DDR für die ÖTV-Betriebsräte gar zum Vorbild: „Eine entwickelte Demokratie darf vor der ÖTV und den Dienststellen und Betrieben in ihrem Bereich nicht haltmachen. Aktuell: Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus der DDR kann auch dazu beitragen, den Reformprozeß bei uns wieder in Schwung zu bringen.“ So der Beschluß einer ÖTV-Betriebsräteversammlung vom 25.Januar.

Man solle „die eigenen Strukturen weniger ängstlich überdenken, tradierte und auf einen gewissen Zentralismus orientierte Elemente unserer Satzung jedoch getrost verschwinden lassen“. Die Bestätigung hauptamtlicher Funktionäre gehöre dazu, heißt es in einer Vorlage für den Gesamtbetriebsausschuß.

Auch wenn in der bisherigen Praxis noch kein Konflikt um die Bestätigung eines Hauptamtlichen entstanden ist, werten viele in der ÖTV die Satzungselemente, die Absegnung demokratischer Wahlen (hauptamtliche Bezirksleiter werden gewählt) von oben als Vorgang, der an alte DDR-Praxis gemahnt.

Florian Marten