Volksentscheid über die Mark

■ Paukenschlag am Runden Tisch: Wirtschaftsministerin Luft schlägt baldige Währungseinheit vor / Drastische Entwertung von DDR-Sparguthaben nicht auszuschließen / Bonn lehnt geforderten Lastenausgleich ab

Berlin (dpa/taz) - Der Runde Tisch begann seine Verhandlungen gestern mit einem Paukenschlag. Wirtschaftsministerin Christa Luft gab bekannt, daß die Regierung sich durchaus eine rasche Übernahme der D-Mark als offizielle Währung der DDR vorstellen könne. Wegen der „tiefgreifenden politischen Tragweite“ einer solchen Entscheidung schlug sie einen Volksentscheid darüber schon für Ende dieses Jahres vor, der zugleich mit einer Entscheidung über die deutsche Einheit verbunden werden könnte. Diese Mitteilungen deuten an, daß die Regierung Modrow bereit zu sein scheint, dem Druck der Straße und den Pressionen der bundesdeutschen Politik nachzugeben.

Als mögliche Vorteile der Einführung der D-Mark-Währung nannte die Ministerin die schnelle Überwindung von Versorgungsengpässen, die Ausweitung der Reisemöglichkeiten und den Zwang für die Betriebe, ihre Leistungen am Weltmarkt messen zu müssen. Gravierend könnten jedoch die Nachteile sein, auf die Frau Luft gleichzeitig hinwies. Neben den arbeitsmarktpolitischen Gefahren nannte sie eine mögliche drastische Entwertung der DDR-Sparguthaben.

All diese Nachteile dürften dennoch kaum den Ruf nach einer schnellen Einführung der D-Mark beenden. Der Generaldirektor der DDR-Staatsbank, Wolfgang Krebs, hat in einem Gespräch mit dem 'Handelsblatt‘ bereits anklingen lassen, daß sein Haus bereit sei, im Falle einer Einführung der D-Mark -Währung die Währungssouveränität an Frankfurt abzugeben.

Ein solcher Schritt werde auch der Bundesrepublik Kosten verursachen, sagte Frau Luft. Bis zu einer Einführung der D -Mark soll die DDR-Mark teilweise konvertibel gemacht und ein von der Deutschen Bundesbank gestützter Wechselkurs von 1:1 oder 1:2 festgelegt werden. Um den schnellen Kollaps der DDR-Wirtschaft zu verhindern, verlangte sie von Bonn einen „Lastenausgleich“ in Höhe von 15 bis 20 Milliarden D-Mark.

Die Bundesregierung hat dies unterdessen als eine Forderung bezeichnet, die „völlig an der Realität vorbeigeht“.

Die TeilnehmerInnen des Runden Tisches wurden auch über erste Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Kosten der marktwirtschaftlichen Transformation informiert. So sollen für Arbeitslose bis nach deren Umschulung und Wiedereingliederung Ausgleichszahlungen in Höhe von 70 Prozent des Nettolohnes der letzten zwölf Monate mit einer staatlichen Beteiligung von jeweils 500 DDR-Mark gezahlt werden. Vorgesehen ist auch eine Vorruhestandsregelung auf der 70-Prozent-Basis. Betriebe sollen bei Umschulungsmaßnahmen Überbrückungsgelder bis zu fünf Jahren zahlen. Eine Umstellung des bisherigen Subventionssystems auf personengebundene Zuwendungen und damit eine Erhöhung der Verbraucherpreise wird es nach Worten des Vorsitzenden des Wirtschaftskomitees bei der Regierung vor den Wahlen im März nicht geben. Dazu müßten Hunderttausende von Einzelhandelspreisen überprüft werden, was vor den Wahlen nicht zu schaffen sei. Die dann fällige Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede wird dann wohl von einem SPD-Politiker gehalten werden müssen.

Zausel