ADAC der DDR: „Das Tempolimit bleibt“

■ Die Autolobbyisten vom ADAC empfingen ihre anschlußwilligen Brüder / Auch sie haben Jahrzehnte auf die große Stunde gewartet Bald sind die „Gaue“ wieder komplett / Mehr Gelbe Engel und Rettungshubschrauber auch für die „Zone“ / Aber: Das Tempolimit auf DDR-Autobahnen soll bleiben

Dr.Wolf Wegener, Vorsteher des ADAC-Gaus I Berlin Brandenburg hat sichtliche Schwierigkeiten, die drei Buchstaben in „dieser Stunde, auf die wir seit Jahrzehnten gewartet haben“, ohne Stocken auszusprechen. Schließlich soll der historische Moment nicht befleckt werden. Deshalb schiebt Wegner schnell nach, „daß wir schon seit 1904 so heißen“.

Am Ende wurde „die schönste Pressekonferenz seit Jahrzehnten“ dann doch leicht getrübt. Und das lag an den „drei motorisierten Freunden aus der DDR“, die gestern zusammen mit den Westberliner Automobilisten die Gründung des ADACs der DDR für den Monat März ankündigten. Die verhielten sich zunächst ganz so wie es das koloniale Gefälle unter den deutschen Brüdern verlangt - nicht anders als ihre Genossen aus Parteien, Kirchen und Verbänden. Erstmal hat der große Bruder das Wort, darf nach Herzenlust den kommenden Anschluß von Thüringen, Sachsen und Mecklenburg herbeisehnen und den Medienvertretern erklären was Sache ist. Die drei Gründer, ein Oberarzt, ein LPGler und einer aus dem Verkehrskombinat, die inzwischen schon Säckeweise Aufnahmeanträge für ihren Unter-ADAC erhalten, schweigen still. Sie haben sich ganz und gar ergeben: Natürlich soll ihre Satzung „sehr stark an die ADAC-Familie angelehnt werden“, natürlich sollen sie vom „Know-how und von der Finanzkraft“ profitieren. Schnell, ganz schnell müssen mehr Pannenhilfsfahrzeuge her (bisher 60 - BRD: 1.200), damit „die zu erwartende Reisewelle im Frühjahr und Sommer bewältigt werden kann“. Innerhalb eines Jahres rechne man mit einer Million Mitglieder - ein Viertel der DDR -AutofahrerInnen. Den Eindruck, daß es hier um eine bloße Ausdehnung der Gelben Engelei auf die Zone ginge, kontert Gau-Leiter Wegener mit der süffisanten Bemerkung, daß es „einen ADAC der DDR nur solange geben kann wie die DDR noch existiert“.

Dann dürfen die DDRler „ihre Vorstellungen erläutern“: Oberarzt Dietmar Krausch von der Charite beklagt den Zustand der Straßen: „Auf der Autobahn Dresden-Bautzen kann man vor lauter Löchern streckenweise nur 20 km/h fahren“. Auch müsse die Ersatzteilversorgung im Lande verbessert werden. Rettungshubschrauber müßten her, die Bundesregierung habe ausrangierte angeboten, MBB ein Probeexemplar versprochen. Kat für Trabis sei wünschenswert. Ansonsten hält man sich zur Freude der West-Automobilisten mit der Verkehrspolitik zurück. Wegener atmet auf: „Das müssen sowieso die späteren Mitglieder entscheiden.“

Doch dann wird nach dem seit 40 Jahren bestehenden Tempolimit gefragt, und der Gau-Chef West-Berlin rutscht wieder etwas tiefer ins Sitzmöbel. „Tempo 100 bleibt“, meint der Oberarzt und Zonenselbstfahrer Krausch, wegen Umwelt und Lärmschutz und „aus medizinischen Gründen“. Schließlich sei ein Unfall mit 100 km/h was ganz anderes als mit 180. Etwas mit der Fassung ringend, betont Wegner nun, daß diese Entscheidung ja nur für die DDR gelte und nicht für die BRD. Und über die Entscheidung der DDR-ADACler könne er sich kein Urteil anmaßen. Dazu wolle er nichts sagen. Außerdem werde die ganze Sache ja „eines Tages“ noch mal ganz neu entschieden werden. Was bleibt ihm da, als nochmals auf die „gemeinsame Stunde“ hinzuweisen. Die Gründer sind da. Die Ost-Journalisten sind da. Und die belegten Brötchen und die Torte sind noch gar nicht angetastet.

kotte