Krafttraining findet im Kuhstall statt

Der vierfache Flying-Dutchmen-Weltmeister Albert Batzill: Urlaubssegler, Ökobauer und ausgebuffter Fuchs  ■  Vom Rößlerhof Holger Reile

Im Hinterland von Ravensburg, versteckt in der oberschwäbischen Hügellandschaft, liegt der Rößlerhof. Wohl nur aus alter Gewohnheit schlägt der weiße Hofhund verhalten an, der Aufwand lohnt nicht, die Hektik war zu groß in den vergangenen Monaten. Hier, wo normalerweise landwirtschaftliche Betriebsamkeit herrscht, gaben sich Tag für Tag Presseleute die Klinke in die Hand. Nachdem Albert Batzill mit Peter Lang bei der WM der Flying Dutchmen Ende September vor Alassio seinen vierten Weltmeistertitel errungen hatte, war der bäuerliche Tagesablauf auf dem Rößlerhof nachhaltig durcheinandergeraten.

Landwirt Batzill, seine Konkurrenten nennen ihn respektvoll „ausgebuffter Fuchs“, trainiert so wenig wie kaum ein anderer aus der Weltelite. „Die Wettkämpfe sind mein Training, im letzen Jahr war ich keine vier Wochen im Boot.“ Wie auch, sein Alltag läßt dem 37jährigen Vollerwerbslandwirt und Vater von drei Kindern keine Zeit. „Segeln“, so Batzill, „ist für mich wie Urlaub, sonst käm‘ ich nie richtig hier raus.“ Zwischen den Wettkämpfen hält er sich auf seine Art fit: „In einen Kraftraum muß ich nicht, mir reichen die Heugabel und ein paar Mehlsäck‘.“

Seit acht Jahren bewirtschaftet der frühere Maschinenhelfer mit seiner Familie den Rößlerhof nach Bioland-Prinzipien. Das Kürzel „Ökobauer“ hat längst den Geruch eines ausgeflippten Landfreaks verloren. „Man hat mich hier machen lassen“, erzählt Batzill zurückblickend. „Klar, am Stammtisch hat mal einer zwei Kästen Bier verwettet, daß ich das keine zwei Jahr‘ durchhalt‘, aber die zwei Kästen“, und da grinst er verschmitzt, „die sind längst versoffen.“ 70 Hektar Landwirtschaft, 65 Milchkühe, Schweine und Federvieh, dazu Gemüse und Getreide. Das heißt: „Um 5.30 Uhr raus, bis abends um 19 Uhr auf Achse, zwei Stunden später müde wie ein Hund ins Bett.“

Die Batzills waren die ersten in der Gegend, die nach strengen Bioland-Regeln ihren Hof bewirtschaftet haben. „Für mich stand nie etwas anderes zur Diskussion, wir können die Natur nicht dauernd vergewaltigen und tonnenweise Chemie auf unsere Felder schmeißen.“ Parteipolitisch will sich Albert Batzill nicht festlegen, obwohl man ihm schon mehrfach angeboten hat, in die Kommunalpolitik einzusteigen. „Stell dir vor, ich sitz‘ da in so einem Gemeinderat..., außerdem hab‘ ich sowieso keine Zeit.“

Die Batzills vermarkten ihre Produkte direkt auf dem Rößlerhof. Ein kleiner Laden ist täglich zwei Stunden geöffnet, und dort kann gekauft werden, was das Batzillsche Bioland hergibt. Um die Angebotspalette zu verbreitern, hat sich nebendran noch eine Gärtnerei angesiedelt: „Wegen Butter und Milch allein kommt sonst keiner zu uns rauf.“

„Umdenken ja“, doch allzu heftig will der segelnde Landwirt auf seine herkömmlich wirtschaftenden Berufskollegen nicht einschlagen: „Viele haben sich in ein ungutes Abhängigkeitsverhältnis zur Industrie gebracht und können da nicht mehr so schnell raus, eine Umstellung ist bei vielen einfach aus finanziellen Gründen nicht möglich.“ An erster Stelle steht für Batzill „die Aufklärung des Verbrauchers“.

In einer großen Scheune, eingeklemmt zwischen landwirtschaftlichen Maschinen und Strohballen steht ein sorgsam eingepacktes Segelboot. Die Saison ist längst vorbei, auf dem Hof ist wieder etwas mehr Ruhe eingekehrt und der amtierende Flying-Dutchmen-Weltmeister Albert Batzill hat nun anderes im Sinn: den Hof und notwendige Umbauten: „Der Kuhstall ist zu eng.“ Wir stapfen über das Anwesen, und plötzlich sagt Batzill aus tiefer Überzeugung und ohne jeden Anflug eines billigen Klischees: „Wenn meine Familie nicht mitziehn würd‘, ging das alles nicht.“ Aber jetzt, das müsse ich verstehen, hätte er noch einige Termine. Und gerade so, als wollte er mir Städter schon im Vorfeld der Berichterstattung das Klischee von der bäuerlichen Idylle zerstören, zeigt er auf das Wohnhaus und sagt: „Wenn die Arbeit nicht wär‘, ließ‘ es sich hier ganz gut wohnen.“