Hindernisse für das ubiquitäre Brauen von Biobier

Es fehlt an Rohstoffen aus ökologischem Anbau für die Hersteller naturgemäßen Gerstensaftes / Alkohol und Ökologie als Gegensatz?  ■  Von Ralf Schaepe

Wilhelm Nummer vier, Herzog in Bayern, gab die Anweisung höchstselbst: „Wie das Bier Summer wi Winter auf dem Land sol geschenckt und prauen werden“, nämlich alleine mit den Zutaten „Gersten / Hopfen / un Wasser“. Hätten die Brauer ab dieser Zeit das „Reinheitsgebot“ strikt befolgt - das erzeugte Gesöff würde heute mit Sicherheit ein wenig beachtetes Schattendasein fristen. Eine auf diese Weise hergestellte Flüssigkeit wäre nichts anderes als eine Pampe aus Gerste, Hopfen und Wasser. Der blaublütige Wilhelm segnete mangels Wissen um die Zusammenhänge die Hefe als Bestandteil des Rezeptes nicht ab, jenen Pilz, der vorhandenen Zucker einerseits in die prickelnde Kohlensäure und andererseits in den beduselnden Alkohol aufspaltet.

Dem Edikt war folglich ein Verstoß gegen dasselbe von vornherein immanent. Die Tradition, wider das Reinheitsgebot zu brauen und es gleichzeitig zu loben, hat also ihren kühlen Grund.

Mit der „Reinheit“ ist noch ein anderer Etikettenschwindel verbunden: Unrein im Sinne des Gebotes von 1516 wäre ein Bier, wenn statt der Gerste beispielsweise Kokosnüsse, Kartoffeln oder Kirschen zur Herstellung verwendet würden. Rein ist es hingegen, wenn es nichts weiter als die oben genannten Zutaten enthält. Ob das Wasser jedoch rein von Nitrat oder Gerste und Hopfen rein von Pestiziden sein sollen, davon steht aus leicht nachzuvollziehenden Gründen nichts im ehernen Grundsatz der Brauzunft. Doch die Biowelle hat auch diese ehrbare Gilde erwischt.

Gebraut wird mit Hopfen und Gerste aus kontrolliertem biologischen Anbau, geachtet wird darauf, daß das Getreide nicht mit Vorratsschutzmitteln malträtiert ist - zum Beispiel durch „Begasung mit Blausäure“ -, daß der Hopfen entgegen den Gepflogenheiten schwefelfrei bleibt. Und geerntet wird dafür von den konventionellen Brauern Unverständnis: „Es ist sicher sehr populär zu sagen, es ist noch reiner als rein. Man muß aber differenzieren, ob das ein Produktargument oder ein Verkaufsargument ist“, äußert sich ein Produktmanager der CMA, der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft, der ungenannt bleiben wollte.

Doch nicht nur von interessenbelasteter Seite kommt Relativierendes zum Thema. Professor Winfried Hitze von der Universität Münster ist Experte. Der gelernte Bierbrauer und Melzer hat Gärungstechnologie an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin studiert, promovierte über die Biochemie von Getreide und arbeitet seit 1976 als Leiter der „Arbeitsgruppe Lebensmitteltechnologie“ im Fachbereich Ökotrophologie der Münster Uni. Als solcher stellt er zunächst einmal fest, daß Bier eben auch dem Suff diene und es deshalb nicht unbedingt erforderlich sei, seine Zutaten biologisch anzubauen: „Das ist ja ein Paradoxon. Und zwar deshalb, weil Bier ein alkoholisches Getränk ist und alkoholische Getränke so gar nicht in die Ökologie passen.“

Einer, dem das Paradoxon egal ist, ist Hans Müller, Brauermeister des Hauses Pinkus Müller in Münster. Lange schon verkauft er Bier auch nach Holland, und „1981 sagte mir der holländische Importeur, er könne zwei Tonnen biologisch angebaute Gerste beschaffen, das ergibt etwa 12.000 Liter Bier. Damit habe ich dann Bier gebraut. Es schmeckte milder und würziger als das normale Bier.“ In der Folgezeit beschaffte er sich ebenfalls biologisch angebauten Hopfen, um dem Gebräu das Attribut „biologisch“ zu sichern. „Ich will mich ganz auf biologisches Bier umstellen, bekomme aber nicht genug Rohstoffe zusammen. Jedes Jahr sage ich mir: 'Im nächsten Jahr stellt du ganz um.‘ Vielleicht klappt es 1990. Biologisches Bier macht zur Zeit etwa 50 Prozent meines Bierverkaufes aus. Tendenz: steigend.“

50 Prozent waren 1988 runde 4.300 Hektoliter reines Biobier, von dem in diesem Jahr auch eine Leichtbiervariante auf den Markt kommen soll. Die andere Hälfte bestehe immerhin zu 90 Prozent aus Rohstoffen, die einem kontrollierten biologischen Anbau entstammen.

Andere Verkäufer biologischen Gerstensaftes finden sich hauptsächlich in Franken, etwa die „Würzburger Hofbräu„ -Brauerei, die nicht nur Biobier im Angebot hat, sondern 1985 auch Dosenbier aus dem Angebot herausnahm und ihren naturschonenden Gerstensaft weiter „konsequent einführen“ will. Oder die „Neumarkter Lammsbräu“, bei der der Anteil des Biobiers 20 Prozent des gesamten Bierverkaufs ausmacht also etwa 16.000 Hektoliter pro Jahr.

Die allgemeine Tendenz, die der Öko-Sprit-Verkauf nimmt, ist allerdings schwer zu erkennen: In deutschen Landen wird Biobier nicht als Sorte geführt. Zwar ist man in der Lage, Angaben über den Verkauf von Weizenbier oder von alkoholfreiem Bier zu machen, aber biologisches Pils läuft unter „Pils“ und nicht unter „biologisch“. Das liegt daran, daß laut CMA „eine Unterscheidung zwischen ökologisch angebauter Gerste und normal angebauter Gerste wohl kaum sinnvoll“ ist, denn „die Bewertung der einzelnen Schadstoffe im Zusammenhang mit der Bierbereitung hat gezeigt, daß Bier bislang zu den schadstoffärmsten Lebensmitteln zählt.“

Der zugehörige Hinweis auf das Reinheitsgebot ist hingegen leicht irreführend: Was braucht es denn eingeschmuggelte Zusatzstoffe, wenn die nicht eingeschmuggelten Stoffe völlig ausreichen, dem Sprit eine unangenehme Note zu verleihen? Da reichen die Nitrate und andere Belastungen im Wasser, die dafür sorgen, daß manche Brauerei ihr Brauwasser erst gründlich reinigen muß, bevor es zu Bier werden darf. Und das, was an Stoffen herausgefiltert wird, „ist eigentlich Sondermüll“, meint der Chef der „Neumarkter Lammsbräu“, Franz Ehrnsperger. Da ist die mit Herbiziden behandelte Gerste, aber auch Insektizide, die gegen Hopfenspinner, -milben und -spinnen ins Feld geführt werden. „Wenn Sie sehen, wie schnell die entsprechenden Schadinsekten und deren Larven absterben - da ist natürlich Wirkung dahinter“, räumt auch Professor Hitze ein. Zwar ist Bier tatsächlich eines der schadstoffärmsten Lebens- und Genußmittel, aber vor allem die Herbizide seien, so Hitze, „der Feind Numero eins, wo wir auch an die Grenzwerte herankommen“.

Trotzdem würde der Experte keinen Pfennig extra für Biobier ausgeben. Der Grund: Teilweise sei Bier mit Zutaten aus biologischem Anbau weniger mit Schadstoffen belastet, teilweise aber eben auch nicht: „Diese Pestizide kommen heute ubiquitär vor - also allüberall. Die Bodenverseuchung macht ja auch vor einem Bioacker nicht halt. Selbst wenn alles bestens Bio angebaut ist, können wir nicht immer sagen, daß die Werte im Vergleich zum konventionellen Anbau immer und drastisch niedriger lägen.“

Doch die Argumente von CMA und Hitze sind ebenso richtig, wie sie am Problem vorbeizielen. Dies Schädigungen sind dem konventionellen Anbau zu verdanken. Wenn biologisch angebautes Getreide nicht ganz frei von Schadstoffen ist, liegt es am konventionellen Nachbarbauern, der großflächtig Insektizide verstäubt, und es liegt an den vielen näher oder weiter entfernt gelegenen Nachbarn, die in der Vergangenheit Nutzpflanzen und Wildkräuter überdüngt haben, um hernach die mächtig sprießenden Wildkräuter totzuspritzen.

Gerade weil auch Öko-Gerste belastet ist, spricht alles für den biologischen Anbau von Agrarprodukten - ubiquitär. Ulrich zur Strassen, Sprecher der „Würzburger Hofbräu“, erläutert, die Belastung von Bioprodukten sei „nicht die Kernfrage. Viel entscheidender ist, daß der Schadstoffeintrag in den Boden, die Luft und das Wasser minimiert wird. Es ist nicht unsere Intention, das Bier schadstoffrei zu machen - das geht nicht. Ökologischer Landbau bedeutet, daß der Verbraucher weiß, daß dadurch kein weiterer Schadstoffeintrag in die Natur erfolgt.“ Ehrnsperger ergänzt: „Wir sagen nicht, daß unser Bier reiner als rein ist - wir sagen nur, daß es umweltgerecht hergestellt wird.“

Früher, knapp nach Wilhelm IV., war das mit der Reinheit noch einfacher. Da reichte ein öffentlicher Anschlag, der heute noch über einigen Theken hängt: „Der Bürgermeister gibt bekannt, daß Samstag und Sonntag nicht in den Bach geschissen werden darf, weil am Montag Bier gebraut wird.“